Korn- und Mehlgesellschaft
 

Die extreme Teuerung von 1817 hatte eine furchtbare Not im Volk hervorgerufen. Den damals Betroffenen blieb sie deshalb stets in schlechter Erinnerung. Wohlgesinnte Männer suchten darum Möglichkeiten, wie solches Elend vermieden werden könnte.

Als im Jahr 1832 der Brotpreis erneut beängstigend anstieg, befasste sich besonders die appenzellische gemeinnützige Gesellschaft, zu der auch mehrere Mitglieder aus Speicher gehörten, mit dem Gedanken, die Lagerung von Korn, Mehl, gedörrten Erdäpfeln usw. zu fördern. Das Volk nahm diese Idee mit grossem Wohlwollen auf. Dem Beispiel Herisau’s folgend, bildeten sich in mehreren Gemeinden sogenannte Korngesellschaften. Im Gegensatz zu den anderen Gemeinden entschied man sich 1835 in Trogen und Speicher für die Einlagerung von Mehl aus der Walzenmühle bei Frauenfeld.

Bei dieser ersten Aktion bezogen in Speicher 51 Teilnehmer rund 80 Zentner Mehl. Der erste Versuch fiel ganz günstig und nach den Schreiben der Teilhaber zu ihrer grössten Zufriedenheit aus, weil man sich auf die beste Mehlqualität beschränkt hatte. Weitere Einkäufe brachten aber nicht mehr so gute Resultate, weil man billigere Mehlqualitäten eingekauft hatte. Der Schaden hielt sich aber in Grenzen. Die Gesellschaft besteht bis auf den heutigen Tag. 1847 wurden die Statuten revidiert, von denen hier die wichtigsten Artikel aufgeführt sind:

 

1.

Der Zweck der Gesellschaft besteht in der Stiftung eines Fonds zu Ankäufen von Getreidearten, roh oder gemahlen, je nach den Verhältnissen und Bedürfnissen, zur Steuerung der Not bei allfälligem Misswuchs und Teuerung.

2.

Jeder Gemeindebewohner hat unter nachfolgenden Bedingungen freien Zutritt zur Gesellschaft.

3.

Zur Besorgung der Geschäfte erwählt die Gesellschaft ein Komitee von fünf Mitgliedern für ein Jahr, bestehend aus einem Präsidenten, einem Vizepräsidenten, einem Aktuar, einem Einzieher und einem Beisitzer.

4.

Der Fond der Gesellschaft wird durch monatliche Beiträge sämtlicher Mitglieder gestiftet. Der einfache Beitrag beträgt monatlich 24 Kreuzer. Es steht indessen jedem Mitgliede frei, auch mehrfache Beiträge zu entrichten.

5.

Diese Beiträge können monatlich oder vierteljährlich beim Einzieher abgelegt werden; jedenfalls aber sollen die betreffenden Beiträge vierteljährlich eingezogen und bei dem Präsidenten abgelegt werden, und dieser soll, insofern keine Ankäufe gemacht werden, gehalten sein, so bald als möglich selbige zinstragend zu machen.

6.

Jedem Mitglied steht der Austritt aus der Gesellschaft frei, jedoch nur gegen Zurücklassung eines Sechstels der Einlagen.

7.

Wenn ein Mitglied aus der Gemeinde  zieht oder seinen Anteil sonst an jemand abtreten will, so steht es ihm frei, letzteres zu tun oder mit Zurücklassung eines Sechstels vom Guthaben der Einlagen auszutreten.

8.

Wenn jemand von der Gesellschaft stirbt, so können seine Erben an dessen Statt in die Gesellschaft treten oder nach Abzug eines Sechstels der Einlagen austreten.  Und so fort.....

 

Eine weitere Anstalt ist die Korn- und Mehlgesellschaft. Nachdem der Sonnenverein im März 1850 zu günstigen Konditionen Korn und Mehl für etwa 2000 Gulden gekauft hatte, lud er die Bewohner Speichers ein, an dieser Gesellschaft teilzunehmen. Obwohl der Aufruf speziell an die ärmeren Einwohner erging, waren von den etwa 70 Teilnehmern nur wenige aus der ganz armen Bevölkerungsschicht. Diese Tatsache widersprach dem Sinn des wohltätigen Zweckes, wie es auch in den von der Sonnengesellschaft entworfenen Statuten hervorgeht. Wir wollen daraus einige der wichtigsten Artikel erwähnen:

Die Sonnengesellschaft hat in der Absicht, edles und gemeinnütziges nach Kräften zu fördern und in Beherzigung des Grundsatzes:

 

„Spare in der Zeit, so hast du in der Not“

 

im Jahr 1850 einen Verein ins Leben gerufen, der sich die Anschaffung günstiger Getreide- und Mehlvorräte zur Aufgabe stellt.

 

1.

Der Eintritt in diesen Verein steht allen Bewohnern hiesiger Gemeinde jederzeit offen. Zur Aufnahme genügt einfache Anzeige an den Präsidenten oder an den Einzieher.

2.

Jedes Mitglied verpflichtet sich zur Zahlung eines kleinen oder grösseren wöchentlichen Beitrages, nach Aktien à 4 Kreuzer berechnet.

3.

Die Beiträge können im Laufe der Zeit beliebig entweder bis zu dem allfällig von der Direktionskommission festgelegten Maximum erhöht oder bis zur einfachen Aktie von 4 Kreuzer vermindert werden.

4.

Jedes Mitglied erhält bei einer allfälligen Verteilung der vorhandenen Lebensmittel den ihm, nach Verhältnis seiner gemachten Einlagen, zukommenden Anteil.

5.

Eine Kommission von 7 Mitgliedern, bestehend aus einem Präsidenten, Vizepräsidenten, Kassier, Aktuar, Einzieher und zwei Beisitzern, steht dem Vereine vor und besorgt die vorkommenden Geschäfte.

6.

Eine teilweise oder Gesamtverteilung der Lebensmittel kann stattfinden:

 

a.

wenn der vierpfundige Laib Brot durchschnittlich auf wenigstens 34 Kreuzer zu stehen kommt;

 

b.

wenn durch allgemeine Verdienstlosigkeit oder andere unvorhersehbare Umstände die Lage und die Verhältnisse der arbeitenden Klasse sich so gestalten, dass eine allgemeine, anhaltende Not eintreten würde;

 

c.

wenn dem Vereine durch eine allzu lange Aufbewahrung der Vorräte oder aus andern Gründen Schaden erwüchse. In allen Verteilungsfällen ist zu einem gültigen Beschlusse die Zustimmung der Mehrheit aller Stimmberechtigten erforderlich.

7.

Der Austritt steht allen Mitgliedern jederzeit frei, nur verliert der Austretende 1/8 seiner gemachten Einlagen; die übrigen 7/8 aber werden ihm bis zur nächsten Verteilung gutgeschrieben.

8.

Wegziehende Mitglieder können entweder Mitglieder bleiben oder ihren Anteil verkaufen, oder auch unter den Art. 7 gegebenen Bestimmungen den Austritt erklären.

9.

Unter Bewohnern der Gemeinde darf kein Aktienverkauf stattfinden.

10.

Stirbt ein Mitglied, so werden den Hinterlassenen desselben die vollen Einlagen bis zur nächsten Verteilung gutgeschrieben.

11.

Die Mitglieder der Sonnengesellschaft verbleiben so lange auch wirkliche Mitglieder der Korngesellschaft, als das Vorschusskapital nicht vollständig zurückerstattet ist. Demzufolge haben sie auch in allen Versammlungen der Korngesellschaft sowohl beratende als entscheidende Stimme und im Verhältnis ihres Guthabens Anspruch auf die zu verteilenden Vorräte, und überdies müssen der Präsident, der Einzieher und der Kassier aus der Mitte der Sonnengesellschaft erwählt werden. Später haben ihre Glieder noch beratende Stimme.

12.

Die Abzahlung des Vorschusskapitals kann nur auf dem Wege statuarischer Beitragsleistung geschehen.

13.

Die der Sonnengesellschaft jeweils noch geschuldete Summe wird bis zur gänzlichen Abbezahlung mit 4 Prozent verzinst.

 Mit der Gesamtverteilung der Lebensmittel löst sich auch der Verein auf. Über einen allfälligen Saldo hat eine Schlussversammlung zu verfügen.

 

Die Sonnegesellschaft hatte sich verpflichtet, für diesen Zweck ein Vorschusskapital von 2000 Gulden zur Verfügung zu stellen. Das Geld verwendete man wegen den günstigen Preisen sofort zu Fruchtankäufen. Diese Gesellschaft löste demnach bereits im Sommer 1852 auf.

Im Frühling jenes Jahres wurde, nachdem im Vorwinter eine Probe mit einem Fässchen Mehl Nr. 1 (beste Sorte) befriedigend ausgefallen war, ein neuer Versuch mit einem weiteren Fässchen gemacht. Diese Nr.2 brachte aber den Einkäufern kein Glück. Man kam zur Überzeugung, dass das Mehl noch vor dem Sommer verbraucht sein müsste, damit man ohne Schaden davonkäme. Die Gesellschaft beschloss daher, das Mehl zu verbacken und dann als Brot frei verkaufen zu lassen. Weil aber das Brot mit solch schlechtem Mehl nicht sehr schmackhaft war, verkaufte man auch eine Abteilung Fesen, um daraus die Bäcker zu entschädigen, welche je ½ von ihrem Kernenmehl, ¼ von Nr.1 und ¼ von Nr.2 Fassmehl zu Broten buken.

Dieses Brot war sehr schmackhaft, kostete 2 Kreuzer weniger als das Halbbrot und fand ziemlichen Absatz. Auf solche Art waren bis am 11. Juni alle 40 Fässer Mehl verbacken. Die Korngesellschaft konnte, nachdem sie noch den übrigen Fesen verkauft hatte, der Sonnengesellschaft den Vorschuss zurückzahlen. Danach wurde die Verteilung des gelösten Geldes und die Auflösung des Vereins beschlossen. Die Vereinsmitglieder konnten nun  ihre Einlagen mit 17 ½ Kreuzer Gewinn pro Gulden auszahlen lassen, da die Sonnengesellschaft auf jeden Profit verzichtete.