Handelsort

 

Der Handelsplatz für unsere Fabrikate war fast ausschliesslich St. Gallen, welches den Mittelpunkt des Handels in der östlichen Schweiz bildet.

Obwohl St. Gallen durch diese Tatsache schon grosse Vorteile genoss, versuchte man zu verschiedenen Zeiten, die Appenzeller Fabrikanten zu besteuern. Ein solcher Versuch scheiterte während der Zeit der helvetischen Regierung nur deshalb, weil sich unsere Leute mit Erfolg an den helvetischen Senat wandten. Als aber die Souveränität der Kantone wieder hergestellt war, lud die St. Galler Regierung unseren Fabrikanten wiederum eine solche Steuer auf. Um dagegen vorzugehen, versammelten sich am 29. Oktober 1816 rund 21 Fabrikanten aus Speicher im „Ochsen“, um energische Gegenmassnahmen zu beschliessen, sie konnten aber die nötige Unterstützung nicht finden. Als dann im Hornung 1828 die St. Galler die bereits grossen Abgaben auf eine beispiellose Art erhöhten, brach der Unmut von neuem los. 46 Einwohner aus Speicher, zum grössten Teil leidgeprüfte Fabrikanten, versammelten sich am 4. März 1828 in der „Linde“. Sie wählten eine eigene Kommission, die mit Alt-Landesfähnrich Tobler, Johannes Tobler, Major Eugster, J.U. Eugster, J.U. Fässler und J.J. Tanner zusammengestellt war. In einer Zuschrift an die übrigen Gemeinden fordern sie Einigkeit gegen diese neue Steuerlast:

 

P.P.

Wegen der von Seite der Regierung des Kantons St. Gallen über auswärtige Fabrikanten verhängten Erhöhung der Gewerbesteuern haben sich gestern die Interessenten der Gemeinde Speicher versammelt und nach ernster Überlegung gefunden, dass es zweckmässig wäre, wenn die Gesamtheit der Fabrikanten im Lande folgende Schritte in der Sache tun würde:

1.       Sei unsere Landesobrigkeit ohne Zeitverlust zu ersuchen, sich der Sache anzunehmen und vor allem dahin zu wirken, dass der fatale, im versäumenden Falle ums zehnfache strafende Zahlungstermin für einmal abgestellt werde, damit man Zeit gewinne, sich in Rechten gegen die Ausführung der bevorstehenden unbilligen Massregeln zu verwahren.

2.       Ebenfalls durch unsere hohe Obrigkeit dahin zu wirken, dass die Erhöhung der Steuer unterbleibe, weil einerseits dieselbe, gegen Ordnung und Gebräuche eines freien Staates, nicht vorher publiziert und andrerseits der diesfälligen Verordnung sogar rückwirkende Kraft gegeben wurde.

3.       Einstweilen neben obigen und als vorläufige Massnahme von allen Fabrikanten des Landes den St. Gallern die „Gehälter“ aufzukünden.

4.       Auf den Fall fruchtloser Verwendung hin Bedacht zu nehmen auf einen oder zwei Mark- oder Handelsplätze im Lande.

Eingangs Genannte wollen mit diesem zwar keine Vorschriften machen, sehen aber Gefahr im Anzug und laden daher alle Fabrikanten des Landes freundlich zu einer Unterredung durch ein paar Abgeordnete aus jeder Gemeinde, und zwar auf Samstag den 8. dieses Monats, Vormittags präzis um 10 Uhr, beim Hörnli in St. Gallen, ein.

Im Namen und als Auftrag der hiesigen Interessenten:

Derselben Abgeordnete

 

Dieser Einladung wurde Folge geleistet und die Stadt St Gallen, welche durch diese angedrohten Massnahmen beunruhigt war, konnte bei der Regierung die Aufhebung der neuen Verordnung bewirken. Man begnügte sich in der Folge mit der bisherigen Steuer. Die Obrigkeit sollte dennoch zufrieden gestellt werden, denn man befürchtete weitergehende Konsequenzen, welche sich auf den Handel hätten auswirken können. Wir schliessen unsere Darstellung über das Industrie - und Handelswesen mit Worten aus dem Bericht der Industriekommission der St. Gallisch-appenzellischen gemeinnützigen Gesellschaft:

„Haben wir das Unsere nach besten Kräften getan, im Glück uns nicht überhoben, im Unglück gemeinsam getragen und redlich Hand angelegt, so dürfen wir denjenigen Gefahren, die der ewige Wechsel der Zeiten in seinem Schosse birgt, heissen sie Krisis, Teuerung oder Krieg, um so ruhiger entgegensehen, als sie eben von einer höheren, unerforschlichen Leitung ausgehen, vor deren Walten wir uns in Ehrfurcht beugen. Ihr mächtiger Schutz hat bisher sichtlich ob der, sonst durch ihre Freiheit geschützten heimischen  Industrie, der Nahrungsquelle so vieler Tausende gewaltet. Ihr sei auch vertrauensvoll ihre fernere Zukunft anheimgestellt!“