Stiftung, Erweiterung und Bau der Kirche

 

Wir haben nun den Leser in aller Kürze von der früheren Kirchengeschichte bis zum Bau einer eigenen Pfarrkirche geleitet und wollen nun darüber berichten, was in dem von Landschreiber Ziedler im Jahr 1615 abgefassten Kirchenlibell über unsere Gemeinde geschrieben wird.

Bei dem weiten und schlechten Weg, welcher im Winter wegen des hohen Schnees oft kaum begehbar war, konnte der  Besuch der Predigten sehr beschwerlich sein. Da sie immer am Morgen stattfanden, war es für den Landmann ohnehin schon unbequem. Die Toten konnten oft lange nicht beerdigt werden und der Pfarrbesuch bei Kranken und Sterbenden fand selten statt. Auch der dringend benötigte Religionsunterricht für die Jugend fiel oftmals ins „Wasser“ oder wurde durch den Schnee verhindert. All dies und die auf dem Kirchgang durch das fürstliche Territorium zu erduldenden Beleidigungen und Lästerungen von Seite der Katholiken waren die Hauptgründe für die Stiftung einer eigenen Pfarrkirche. Da es die erste Kirche war, welche nach der Landteilung gebaut werden sollte, musste sie nicht mehr durch den Bischof und den Abt, sondern durch unsere Landesregierung gebilligt werden. Die Regierung wollte den Einwohnern von Speicher mit Rat und Tat hilfreich zur Seite stehen. Wegen der beschränkten finanziellen Mittel und dem Mangel an gebildeten, einsichtsvollen Leuten, blieb die Leitung des Geschäftes lediglich einigen Beamten überlassen. Von diesen Wohltätern möchten wir natürlich nur diejenigen erwähnen, welche sich spezielle Verdienste erworben haben: Landammann K. Zellweger von Teufen, Johannes Schiess von Herisau, welcher auch 50 Kreuzer an die Kirche in Speicher vermachte,  Landweibel Jakob Jost und Landschreiber Hermann Ziedler. Auf ihre Anordnung wurde am 19. Juli 1613 eine Kirchhöre gehalten, welche dann den Bau einer Kirche beschloss. Auch wenn nicht jedermann dem Bauwerk zustimmen konnte, anerboten sich andere,

„neben ihrer möglichen Hilfe mit Leib und Gut, Ross und Karren namhafte Geldsteuern zu erheben“.

 

So ging die Sache vorwärts. Hauptmann Wälti  Rechsteiner räumte sein Haus und den Stadel neben der alten Linde vor dem Felsen und trat der Kirche grosszügig sein Grundstück ab. Am Osterdienstag 1614 wurde der erste Grundstein gelegt. 89 freiwillige Gaben von hiesigen Bewohnern brachten die Summe von 1727 Gulden und 160 Kreuzern ein. Von den vier angesehensten Einwohnern spendete jeder 400 Gulden, einer 60 Gulden und sechs je 50 Gulden, den Dachdeckerlohn bezahlte Hauptmann Tanner selbst. Der ganze Bau inklusive Glocken kam auf 3200 Gulden zu stehen. Um das Defizit von 1473 Gulden zu decken und noch einen Fond zu einer Pfründe anzulegen, wurden weitere Liebessteuern gesammelt. Edle Bürger von St. Gallen waren vorangegangen und hatten 1360 Gulden in Form von Zedeln und Geld geschenkt. Für das Abendmahl schenkte Heinrich Schlumpf einen 23 Lot schweren silbernen Kelch. Basel steuerte 200 Gulden, Zürich, Schaffhausen, Glarus je 100 Gulden, Bern 87 Gulden 10 Batzen, Winterthur 26 Gulden und Altstätten 25 Gulden an die Kosten bei. Die Landesregierung ihrerseits gab 300 Gulden und 100 Kreuzer. Von den Rhoden des Landes schenkten Herisau 303 Gulden, Urnäsch 150 Gulden, Trogen 116 Gulden, Teufen und Hundwil je 110 Gulden, Gais 106 Gulden, Kurzenberg 80 Gulden, Hirschberg 30 Gulden, Oberegg 10 Gulden, Grub einen Zedel im Wert von 50 Kreuzer u.s.w., was einen Betrag von zusammen über 3500 Gulden einbrachte. Somit blieb für die Pfründe etwas mehr als 2000 Gulden übrig. Ob von diesem Geld etwas für den Pfarrhausbau verwendet wurde, ist nicht bekannt. Am 9. Oktober 1614 hielt Dekan Biegel aus Herisau die erste Predigt in der neuen Kirche von Speicher.

Diese urkundlich bezeugte Geschichte des ersten Kirchenbaus möchten wir noch durch weitere Informationen ergänzen. Nach der ersten Beschlussfassung zum Kirchenbau entstanden verschiedene Ansichten über den Ort, wohin die Kirche gebaut werden sollte. Die Bewohner hinter dem Bach und diejenigen in der Schwende wünschten sich die Kirche auf der Holderschwende, und zwar dort, wo früher die Strasse vom Kurzenberg nach Teufen vorbeiführte. Andere hielten den Hof geeigneter, weil er mehr in der Mitte lag, die Lage weniger wild war und sich an diesem Platz mehr Wasserquellen befanden. Da die Mehrheit der Gemeindebewohner dieser Ansicht war, wurde die Kirche im Hof errichtet.

Das Aussenmass der Kirche betrug in der Länge 66 Fuss und in der Breite 36 Fuss, die Höhe im Innenraum betrug bis zum Himmel 28 Fuss. Das als Emporkirche erbaute Gotteshaus war in der Form vergleichbar mit der Kirche im Linsenbühl. Der Himmel war eben getäfelt, die Kirchenfenster waren sehr niedrig und mit Schildern und Wappenbildern geschmückt, wie sie damals von Ständen, Orten und Personen für Kirchen-, Rathaus- und Wirtshausfenster geschenkt wurden. Der Turm hatte eine Grundfläche von 17 x 17 Fuss und sein Mauerstock wuchs rund 40 Fuss in die Höhe. Der Helm des Turmes war damals relativ klein. Anstatt eigentlicher Glockenläden hatte man sogenannte Fliegläden angebracht und die Stundenziffern waren auf die Mauer gemalt. Im Turm hingen 4 Glocken, welche 1613 von Peter Füsli in Zürich gegossen worden waren.  Die grösste dieser Glocken wog 1260 Pfund, die zweite zirka 600 Pfund, die dritte 330 Pfund, und die vierte noch 110 Pfund, wobei die Pfunde zu 32 Lot berechnet waren.

Die grösste Glocke trug die Aufschrift:

„Ehre sei Gott in der Höhe und Friede auf Erden dem Menschen ein Wohlgefallen!“

 

Die zweite:

Christus du König der Ehren, send uns deinen Frieden!

„Aus Feuer und Erz bin ich geflossen Peter Füsli von Zürich hat mich gegossen.“

 

Kirchhof und Kirchenplatz waren ebenfalls zu klein geraten, weshalb die kleine Kirche schon bald zu wenig Platz bot. Schon 1676 musste als Ergänzung eine zweite Empore gebaut werden, was Kosten von 59 Gulden 15 Kreuzer verursachte. Der Erbauer war Meister Hans Graf, „der Schwarz“ genannt. Aber trotz dieser Vergrösserung war die Kirche schon bald wieder zu klein.

Wegen des ewigen Platzmangels beschloss die Gemeinde am 11. November 1722 einstimmig, die Kirche zu erweitern und die Unkosten aus eigenen Mitteln zu bestreiten. Diese beliefen sich auf 1906 Gulden und wurden zum grössten Teil durch freiwillige Beiträge gedeckt, wobei viele Frondienststunden und geschenkte Materialien nicht mitgerechnet wurden. Von den Spendern, welche mit gutem Beispiel vorangingen, waren speziell die Vorsteher zu erwähnen, weil sie selbst 450 Gulden 22 Kreuzer zusammentrugen. Total fielen 1529 Gulden 52 Kreuzer vom oberen Bezirk und 376 Gulden 8 Kreuzer aus der Schwende in den Spendenkasten.

Am 12. November fing man an, in der unteren Rüte, wo im Winter die Strasse nach Teufen führte, Steine zu brechen und zu schlitten. Gleichzeitig wurde Holz gefällt, welches teils in den Gemeindewaldungen, teils in der fürstlichen Steinegg geschlagen wurde. Am 5. April 1723 konnte der Grundstein zur erweiterten Kirche gelegt werden. Am 13. Mai riss man den Dachstuhl und anschliessend auch den grössten Teil der Kirche ab. Das forsche Tempo war in der Sorge begründet, dass das vordere Eck der Kirche in Richtung Trogen, welches etwa 6 Schuh weit auf tonigem Grunde stand, etwas absinken könnte. Da die restliche Mauer auf Felsen gebaut war, wurde nur die hintere und vordere Mauer abgerissen, so dass von der alten Kirche nur noch die blosse Mauerwand gegen die Mitternachtsseite stand.

Die Bauarbeiten gingen unter der Leitung von Zimmermeister Jakob Grubenmann aus Teufen und Maurermeister Johannes Nessensohn aus Laterns, in der Herrschaft Feldkirch, gut voran. Bereits am 10. Juni konnte der neue Dachstuhl aufgerichtet werden, so dass die Zimmerleute am 22. Juni nach Bühler weiterziehen konnten, wo ebenfalls eine Kirche im Bau war. Der Kirchenbau in Speicher konnte innerhalb von nur 6 Monaten vollendet werden, bereits am 20. September 1723 hielt Pfarrer Gabriel Walser die Inauguralpredigt über Psalm 93, 5.

Während der Zeit von 6 Wochen trug die Kirche noch kein Dach. Darum hielt man vom 19. Mai bis 10. Juni den Gottesdienst entweder vor dem Pfarrhaus, oder auf dem freien Feld, wo vorher die alte Kirche gestanden hatte. In dieser Zeit wurden die gottesdienstlichen Handlungen wie ein Wunder nie durch Regen gestört. Später hielt man die kirchlichen Zusammenkünfte wieder in der Kirche ab, wobei sich am 7. Juli ein Unglück anbahnte, welches aber gerade noch verhütet werden konnte. An diesem Vormittag war die Empore, welche in Ermangelung der noch nicht fertig gestellten Pfeiler nur durch dicke Stöcke unterstützt war, von Kirchenbesuchern derart belegt, dass die Belastung zu gross wurde und die provisorischen Pfeiler auf einmal unter grossem Krachen entzwei brachen und sich die Empore dabei in der Mitte um 3 Fuss senkte. Man kann sich den Schrecken vorstellen, der sich der Leute bemächtigte. Gottlob blieb es aber dabei.

Beim Kirchenbau beschäftigte man 12 Zimmer- und 7 Maurergesellen. Jeder dieser Handwerker erhielt einen Taglohn von 30 Kreuzer, den Meistern bezahlte man 40 Kreuzer im Tag und 1 Louisdor à 7 Gulden 24 Kreuzer als Gratifikation für die ganze Bauzeit. Man benötigte 131 Fässer Kalk, wobei 42 Fässer aus Mettendorf zum Preis von je 1 Gulden 20 Kreuzer franko St. Gallen und 89 Fässer aus Rheineck bezogen wurden, wo das Fass aber nur 48 Kreuzer franko Rorschach kostete. Der Fuhrlohn für ein Fass von St. Gallen bis Speicher betrug 12 Batzen und von Rorschach aber 1 Gulden 20 Kreuzer. Gips wurde in Bregenz gekauft, es brauchte 5 Fässer à 7 Gulden. Das Eisenwerk wurde in St. Gallen beschafft. Die Fenster wurden in Trogen gefertigt und kosteten total 93 Gulden, was einen Preis pro Scheibe von 2 Kreuzern ergab, inklusive das benötigte Blei. Die Kosten für den ganzen Bau beliefen sich somit auf 2300 Gulden. Der Mehrbetrag gegenüber den eingenommenen freiwilligen Steuern von 394 Gulden wurde aus dem Kirchengut beglichen.

Die erweiterte Kirche war aussen 66 Fuss lang und 52 Fuss breit, das Innenmass betrug 60 Fuss in der Länge und 45 Fuss in der Breite und die Höhe bis zum Himmel mass 28 Fuss. Am Himmel war eine Sonne auf blauem Feld aufgemalt, deren Strahlen eine Länge von 7 Fuss im Durchmesser hatten. Die Malerei wurde durch Pfarrer Gabriel Walser, welcher auch die Kirchentüren auch Nussbaumholz herstellen liess, bezahlt. Während die Empore steinfarbig angestrichen war, hatte man die Kanzel holzfarbig gemalt. Ausserhalb der Kirche waren zwei Kirchenschöpfe angebracht. Walser empfand diese Kirche als ein angenehmes, verständiges Gotteshaus. Er schliesst seinen Bericht über diesen Bau mit folgenden Worten:

 

„Gott lasse denselben geheiligt sein, dass darin die Leut von dem äusserlichen Gottesdienst zu dem wahren inneren im Geist und in der Wahrheit geleitet werden, seufzet aus Herzensgrund. Speicher den 12. November 1723.                                                                                                                                           

Gabriel Walser“

 

Mit der Erweiterung der Kirche vergrösserte man auch den Friedhof bis hinter das Gotteshaus und brachte dabei am hinteren Teil ein Tor an, durch das man mit Wagen und Pferd bis zu den Gräbern gelangen konnte. Bis 1771 wurden in diesem Teil des Friedhofes noch keine Einheimischen beerdigt. Auch der Kirchenplatz wurde vergrössert, was durch freiwillige Abtretungen von Boden erreicht werden konnte. Konrad Rechsteiner im Hof verknüpfte die Bodenabtretung mit der Bedingung, dass man ihn für alle Zeiten vom Amt des Kirchenmeiers befreit lasse. Die zweite Bodenschenkung von Barbara Buff kam ohne Auflagen zu Stande. Eine alte Linde musste umgehauen werden, damit genügend Platz für die 16 Fuss nach vorn erweiterte Kirche geschaffen werden konnte. Es handelte sich aber nicht um die 1684 gepflanzte Linde, denn jene wurde erst 1807 umgehauen. Vorher war der Kirchenplatz so klein gewesen, dass das Röhrenbrugg - Gut bis zum Pfarrgarten reichte. Nun dehnte er sich in Folge dieser und späterer Vergrösserungen bis zum „Wirtshaus zum Rössle“ und bis zu den Häusern von Hauptmann Keller und von Meister Hans Krüse aus. Mit den oben erwähnten Bauten war aber der Kirchenbau noch nicht ganz vollendet, denn 1728 musste noch gestuhlt und ein neuer Steinboden gelegt werden, was weitere Unkosten von 348 Gulden 30 Kreuzer verursachte.

Nachdem der Blitz schon 1712 in den Turm geschlagen hatte, passierte das gleiche wieder 1728. Auch wenn das Holz zum Glück nicht in Brand geriet, so wurde der Turm doch so stark beschädigt, dass man ihm 1733 einen neuen Helm und Glockenstuhl aufsetzen musste. Bei dieser Gelegenheit wurde der Turm von 40 auf 57 Fuss erhöht, damit er eine schönere Proportion zur Kirche erhielt. Sowohl das Mauer- wie auch das Zimmerwerk wurde Meister Johannes Grubenmann für 724 Gulden in Auftrag gegeben. Man stellte ihm Holz, Steine und Sand zur Verfügung, nur den Kalk musste er auf eigene Kosten liefern. Der ganze Umbau wurde innerhalb von 11 Wochen vollendet.

Erneute Kosten entstanden 1736 durch die Anschaffung von 2 neuen Glocken. Die Grund lag im  Umstand, dass das kleine Glöcklein aus dem Jahre 1613 im Jahr 1734 zersprungen war. Für ein besseres Geläut machte sich besonders Hauptmann Baumgartner stark. Als sich an der Kirchhöre 1736 nur etwa 20 Hände für die Anschaffung der neuen Glocken erhoben hatten, stellte er folgendes Gegenmehr:

 

„Wem’s wohl gfallt, dass man ein altes „Becki“ in den Turm hänge und einen Fuchsschwanz darein, der hebe seine Hand auf.“

 

Da sich niemand für dieses ausgesprochen hatte, erklärte er das erstere für das grössere Mehr. Nun liess man je eine grosse und kleine Glocke giessen, wobei erstere laut Rechnung vom 7. Oktober 3135 Pfund à 32 Lot wog,  die kleinere hatte ein Gewicht von 431 Pfund. Als Gegengeschäft wurden die alten Glöcklein mit 396 Pfund an Zahlung gegeben. Nach 10 Pfund Abzug auf den Zentner blieben noch 3170 Gulden zu bezahlen. Die gesamten Kosten für diese zwei Glocken beliefen sich somit auf 2127 Gulden 51 Kreuzer, wobei 2033 Gulden 40 Kreuzer durch freiwillige Beiträge und die restlichen 94 Gulden 11 Kreuzer durch den Verkauf von Holz aus den Gemeindewaldungen gedeckt wurden.

1756 waren schon wieder Reparaturen am Kirchenturm nötig. Da das Pflaster am geriegelten Glockenhaus mit der Zeit heruntergefallen war und das Holz darunter faulte, sah man sich genötigt, den Helm herunter zu nehmen und  zu erneuern. Die Zimmerarbeit wurde den zwei Söhnen von Meister Altherr aus Speicher für 250 Gulden in Arbeit gegeben, wobei die Gemeinde die Baumaterialien zu liefern hatte. Schwellen und Gesimse stellte man aus wetterfesterem Lerchenholz her. Über das Glockenhaus wurde nun ein Schindelschirm gemacht, welcher leibrot angestrichen wurde. Die Ecken waren steinfarbig quadriert und der Helm grün gemalt, wodurch das Ganze ein viel schönes Aussehen bekam. Der Glockenstuhl blieb unverändert, um aber bessere Proportionen zu erhalten, wurde das Glockenhaus um 1 ½, der Helm um 11 Fuss erhöht. Die zwei alten Zifferntafeln, welche früher auf der Süd- und Nordseite auf das Pflaster gemalt waren, ersetzte man durch vier neue eiserne mit vergoldeten Ziffern. Am 24. Juli wurden Knopf und Fahne vom Turm heruntergenommen, damit der Knopf vergoldet werden konnte. Am 10. August wurde der neue Helm bereits wieder aufgerichtet und schon am 8. Oktober brachte man die Fahne auf den Turm. Die Kosten beliefen sich auf 736 Gulden, wobei die Steuer 609 Gulden abwarf. Baumeister Hans Jörg Altherr hielt auf dem Turmknopf stehend den Firstspruch, worin er sich gegen unverdienten Tadel auf folgende Weise verantwortete:

 

„Es gibt Plaudermäuler um und um, die sagen, der Turm sei krumm. Aber wer will bauen an Weg und Strassen, der muss die Leut reden und die Narren tadeln lassen“.

 

Noch im selben Jahr tauschte man die alte Kirchenuhr gegen eine neue, grössere um. Der Arbeit dafür wurde an Johannes Grubenmann in Teufen vergeben und kostete 308 Gulden 30 Kreuzer, wobei man dem Gesellen 2 Gulden 24 Kreuzer Trinkgeld bezahlte. Weitere 110 Gulden verwendete man 1781 für neue Kirchenfenster und 14 Gulden für die Veränderung der eisernen Rahmen. Im gleichen Jahr wurde auch die Kirche renoviert und auf der Wetterseite ein rot gemalter Schindelnschirm angebracht. 1790 wurde der Turm abermals mit roter Farbe angestrichen. Der Aufwand dafür betrug 146 Taglöhne, 120 Pfund Öl à 18 Kreuzer und Farben zum Preis von 203 Gulden 45 Kreuzer. Landschreiber Rüsch renovierte wiederum Knopf und Fahne und dazu zwei Uhrentafeln, wofür man ihn mit 38 Gulden entschädigte. Durch ihre Kirchenbauten legten die Bewohner von Speicher jenen kirchlichen Eifer an den Tag, welcher im Mittelalter so viele prächtige Tempel entstehen liess. Sie brachten von ihrem gesegneten Erwerb gerne ihren Beitrag zur Verschönerung der Gotteshäuser und widmeten es Dem, der zu allem was gedeihen soll, seinen Segen gibt.

 

Dem Geiste der Ahnen getreu beschlossen unsere Väter vor bald 5 Jahrzehnten, dem Herrn einen neuen, würdigen Tempel zu weihen. Die Veranlassung zu diesem dritten Kirchenbau gab ein Gewitter, welches am 28. Juni 1804 über unsere Gegend zog, wobei der Blitz in den Turm schlug und diesen entzündete. Zwar gelang es der Feuerwehr, dem verzehrenden Element Einhalt zu gebieten, bevor der ganze Helm ein Raub der Flammen wurde, trotzdem musste der Turm erneuert werden. Die Vorsteherschaft fand in ihrer Sitzung vom 13. Juli 1804, dass die Stimmung im Volk über das Wie sehr unterschiedlich sei und beschloss daher, der nächsten Kirchhöre folgende drei Fragen zur Entscheidung vorzulegen:

 

1.

Ob man wieder einen neuen Helm oder eine Kuppel machen, oder

2.

einen neuen Turm bauen, oder

3.

ob man einen ganz neuen Kirchen- und Turmbau vornehmen wolle.

 

Die Kirchhöre entschied sich trotz des Angebotes des damaligen Bauherrn Johannes Rechsteiner, welcher für 100 Louisdor wieder alles instand stellen und einen neuen Helm machen wollte, für einen ganz neuen Kirchenbau.

Die Vorsteher zogen zu den Beratungen auch Pfarrer Zuberbühler bei und beschlossen, schnell Hand ans Bauwerk zu legen. Sie legten freiwillig 3350 Gulden zusammen und machten damit den einen schönen Anfang zur Sammlung, welche sie mit einem angeordneten Umgang am 15. Oktober durch weitere freiwillige Beiträge vergrössern wollten. Obwohl das Ergebnis von etwa 16'000 Gulden sehr erfreulich war, leuchtete es doch jedermann ein, dass das versprochene Geld für einen solchen Bau noch lange nicht ausreichend war. Die Kirchhöre an Martini beschloss nach dem Bericht der Vorsteher, mehr Agaben von den Leuten zu fordern, was dann auch mit gutem Erfolg geschah. Zudem zog man die 14 reichsten Männer Speichers bei, damit alles besser und williger von Statten ging. Dass man mit der Besteuerung der Vogtkinder ihr Vermögen um 1/3 herabsetzte, fanden die Vorsteher und beigezogenen Männer nur Recht und Billig. Im Weiteren wurde bestimmt, dass von Verstorbenen 2,4% des Vermögens zum Kirchenbau eingezogen würde. Damit man sich ein Bild der damals üblichen Kirchenbauten machen konnte, wurde am 11. Juni 1805 eine Kommission beauftragt, neuere Kirchen zu besuchen. Auf ihren Bericht hin wählte sich die Gemeindeversammlung die Grösse der Teufener Kirche und die Form derjenigen von Trogen.

Der im Herbst 1805 erneut ausgebrochene Krieg zwischen Frankreich und Österreich verursachte einen Stillstand in den Bestrebungen des Kirchenbaus. Sobald der Frieden wieder hergestellt war, beschlossen die Verantwortlichen am 23. Januar 1806, das Projekt voran zu treiben. Zuerst wollte man eine möglichst einfache Kuppel bauen, doch während des folgenden Winters wurden die Verantwortlichen von der Unzulänglichkeit des Bretterdaches auf dem Kirchenturm überzeugt, dass man die Uhr und den Glockenstuhl besser schützten müsste. Im September 1807 ging man deshalb mit neuem Eifer an die Verwirklichung des schon beschlossenen Bauprojektes. An der Kirchhöre vom 27. September wurde der Beginn des Kirchenbaues beschlossen, die zugezogenen reichen Männer aus der Kommission entlassen und ein neuer Baurat gewählt. Er bestand aus Statthalter Johannes Schläpfer, Alt- Statthalter B. Rechsteiner, Alt- Kreissatthalter J.K. Tobler, Hauptmann K. Schläpfer auf der Brugg, Ratsherr J.U. Rüsch auf der Röhrenbrugg, Ratsherr U. Koller und Ratsherr G.L. Schläpfer im Kaufhaus. Alt- Kreisstatthalter Tobler verlangte die Entlassung aus dieser Baukommission und wurde durch Hauptmann und Kopieschreiber Rüsch ersetzt. Alt - Landschreiber Tobler wurde 1804 von Alt- Statthalter Rechsteiner veranlasst, einen Plan für die neue Kirche zu machen, wobei der Entwurf der Form der Kirche in Horgen glich. Diese war eiförmig und mit vier Einschnitten gebaut worden. Diejenige von Tobler hatte aber nur gerade Linien, damit die Kirche leichter zu bauen war, als eine mir krummen Flächen. Tobler überbrachte den Plan Alt- Statthalter Rechsteiner, welcher ihn wohlwollend aufzunehmen schien, ihn aber auf die Seite legte. Nur durch einen gewissen Wink kam er in die Hände der Baukommission. Diese zerfiel darüber bald in zwei Parteien, welche mit grossem Eifer ihre Ansichten geltend machen wollten. Pfarrer Zuberbühler stelle deshalb ein Modell aus Karton im Sinn von Alt- Kreisstatthalter Tobler her, der eine ganz einfache Kirche bauen wollte. Nun wurde auch Alt- Landschreiber Tobler von der gegnerischen Partei gebeten, ein solches Modell auch von seinem eigenen Plan zu machen. Die Entscheidung über die zu bauende Form wurde am 4. Oktober 1807 der Gemeindeversammlung überlassen, indem ihnen nach dem Austritt des Statthalters Tobler aus der Kommission zwei Modelle zur Auswahl vorgelegt wurden. Man hatte sich auf die Kirchenformen von Trogen und Horgen geeinigt. Für beide Projekte wurden Vertreter bestimmt, von welchen besonders Alt- Statthalter Rechsteiner und Ratsherr Johann Ulrich Rüsch mit überzeugender Rednergabe ausgestattet waren. Rechsteiner sprach für die Form der Trogener Kirche, Rüsch hingegen war vom Plan von Alt - Landschreiber Tobler überzeugt. Als die Diskussion beendet war, stellte Hauptmann K. Schläpfer die Frage:

 

„ Ob man die Kirche von Trogen, die alle kennen, oder das neue achteckige Modell, welches zu jedermanns Ansicht auf der grossen Ratsstube stehe, zum Muster des Baues nehmen wolle?“

 

Da rief jemand, man solle das Modell in die Kirche bringen, oder ob es so gross sei, dass es hier keinen Platz hätte? Obwohl das Volk darüber lachte, wurde das Modell herbeigeschafft und auf den Taufstein gestellt. Gleich hiess es von verschiedenen Seiten: „Das ist gut genug“. Zirka ¾ der Stimmen sprachen sich nun für das Modell einer achteckigen Kirche aus und gleichzeitig wurde Konrad Langenegger aus Gais zum Baumeister ernannt. Erzürnt über das Ergebnis der Kirchhöre quittierte Alt- Kreisstatthalter Tobler das hiesige Gemeinderecht. Die Gegner des „Horgener“ Planes machten nun den Befürwortern Vorwürfe, einen solchen Mann so erbittert zu haben. Diese erklärten, dass sich Speicher von niemandem dominieren lassen müsse, da es aus eigener Kraft dastehen könne. Aber auch nach dieser Kirchhöre wurden immer wieder kritische Stimmen laut, wenn es um die Gestaltung im innern der Kirche ging. So wurde die Platzierung der Kanzel, der Treppe dorthin und auch der Emporen kritisiert. Bei all diesem Kleinkrämertum kommt uns unwillkürlich jener Bewohner von Schwende in den Sinn, dem beim Beginn des Kirchenbaus ein Dorfbewohner sagte:

„Ma chönt jetzt die alt Chercha gad i d’Schwendi abi tua“, und der dann die treffende Antwort gab:

„Seb wär recht, ehr hettid denn im Dorf die stritende ond mer i der Schwendi die triumphierende Chercha“.

 

Doch kehren wir zur Kirchengeschichte zurück, denn gleich nach der Kirchhöre traf die Baukommission die nötigen Anordnungen zum Kirchenbau und machte mehrere Arbeitsverträge:

 

1.

Mit Meister Langenegger aus Gais, der den Bau der Kirche und des Turms für 16'800 Gulden übernahm. (Die Gemeinde musste ihm überdies die nötigen Baumaterialien anschaffen)

2.

Mit den Gebrüdern Bischofberger aus Heiden, welche das Brechen der Quader, das Stück à 45 Kreuzer besorgten.

3.

Mit dem Steinbrecher Franz Anton Greber, der das Klafter Steine für 6 Gulden sprengte.

4.

Mit Löwenwirt Kriemler und Hans Frehner, welchen man für das Klafter Steine 3 Gulden 45 Kreuzer Fuhrlohn gab. Für das Heranführen eines Quadersteins erhielt Löwenwirt Kriemler 26 Kreuzer.

5.

Mit Hans Ulrich Schittle im Eggli, der gegen das Recht, dass die Gemeinde so viel Quader brechen durfte, als sie zu Kirche und Turm brauchte und die auch noch den Abfall davon zu Mauersteinen benutzen konnte, 300 Gulden erhielt. Er versprach, die Mauersteine für 7 Kreuzer per Fuder auf den Platz zu bringen.

6.

Mit J.J. Baumgartner, der gegen einen Preis von 121 Gulden der Gemeinde erlaubte, in seinem Steinbruch Mauersteine zu brechen.

7.

Mit. J.B. Rechsteiner, dem man mit 550 Gulden das Recht abkaufte, in seinen Steinbrüchen die für die Kirche, den Turm und die Kirchhofmauer benötigen, harten Mauersteine brechen zu dürfen. Zudem erhielt man das Recht, dass man die Steine auf dem Platze aufschichten und die kleinen für die Strasse gebrauchen könne.

8.

Mit Johannes Locher, Müller aus Horn, welcher der Gemeinde für 300 Gulden 532 Fuss hageneichenes Holz nach den bezeichneten Stücken franko bis zum Bäcker im Hagenbuch liefern musste.

9.

Mit Johannes Kellenberger, der Steinplatten von jeder bezeichneten Grösse nach bestimmten Preisen zu liefern hatte und welcher dafür drei Winter Garantie zu leisten hatte.

 

Das Holz wurde in den Gemeindewaldungen im Unterbach und auf dem Horst gefällt. Es wurden gegen 200 Tannen gefällt, wovon 125 Klötze in die Sägerei kamen.

 

Nachdem die Baukommission die nötigen Vereinbarungen getroffen hatte und die Mitglieder des Gemeinderates und der Baukommission zu Aufsehern beim Bau bestimmt waren, wobei je einer für eine Woche Aufsicht halten musste, wurde zum Bau geschritten. Man hatte Lokalitäten für den Gottesdienstes bestimmt: Für den Sonntag wurde der Saal im Herbrig; für den Wochengottesdienst die Ratsstube benutzt. Im Oktober 1807 wurden die versprochenen Kirchenspenden eingezogen, damit die Handwerker und Lieferanten entlöhnt werden konnten.

Der Anfang wurde am 4. April 1808 mit dem Abbruch des Glockenhauses gemacht. Am 5. April wurden die Glocken aus dem Turm genommen und in einer extra dafür erbauten Hütte neben dem jetzigen „Hirschen“, wo jetzt das Spritzenhaus steht, zum Läuten eingerichtet. Zugleich wurde die Turmuhr in das Haus von Johann Ulrich Rüsch auf dem Kirchenplatz gebracht. Der Turm wurde bei schlechter Witterung in der zweiten Aprilwoche abgebrochen. Am hl. Ostersonntag Nachmittag, dem 17. April 1808, hielt Pfarrer Zuberbühler in Gegenwart einer grossen Volksmenge die letzte Predigt in der alten Kirche über Johannes 4, 20.33. In der dritten Aprilwoche wurde bereits das Ziegeldach heruntergenommen, wobei die Kinder Ziegel bieten mussten. Am 22. April fand die erste Abdankung für ein Kind auf der grossen Ratsstube statt und am 29. April wurde bei der Beerdigung von Alt- Hauptmann Sigmund Baumgartner die erste Predigt im oberen Herbrig gehalten. Am 14. Mai legte man den Grundstein zur neuen Kirche. Pfarrer Zuberbühler hielt am 20. Juni in Gegenwart von 19 Geistlichen und vielen Zuhörern die Ecksteinpredigt über Mathäus 16, 18. Die mit Musik begleitete Feier wurde mit folgender Zeremonie begleitet: Der Pfarrer erhielt vom Baumeister einen mit Bändern umwickelten Hammer, mit welchem er dreimal auf den Stein schlug und mit kurzen Worten den Tempel der heiligen Dreifaltigkeit weihte. Anschliessend  überreichte er den Hammer dem ersten Beamten der Gemeinde, Statthalter Schläpfer, welcher ebenfalls drei Schläge tat, wie dann auch der regierende Hauptmann Johann Ulrich Rüsch, aus dessen Händen der Baumeister den Hammer zurückerhielt. Statthalter und Hauptmann machten bloss eine stumme Zeremonie.

Der Eckstein trägt folgende Inschrift:

 

„Geleget ist zu Gottes Ehr

Zum Tempel reiner Christuslehr

Der Eckstein, den ich hier betracht

Im Jahr Tausend acht hundert acht.“

 

An diesem Tag verköstigte die Gemeinde im Ochsen 60 Personen, welche sich aus Geistlichen, Amt-, Hauptleuten und Räten zusammensetzten. Während sich die Kosten im Ochsen auf 150 Gulden beliefen, wurden für die Arbeiter im Löwen nur 54 Gulden 46 Kreuzer ausgegeben. Letztere erhielten bei dieser Gelegenheit wenigstens von den Leuten, welchen sie auf der Strasse begegneten, 120 Gulden. Dieses Geld wurde dann unter den Handwerkern aufgeteilt, wobei jeder Balier (Polier) 4 Gulden, jeder Steinhauer 2 Gulden und jeder Maurer, Zimmermann und Handlanger 1 Gulden erhielt. Der Bau ging zügig voran. Gegen Ende August erreichte der Turm bereits die Kirchenhöhe. Anfangs Oktober 1808 wurde bei günstiger Witterung der Dachstuhl auf die Kirche gebracht. Am 12. Oktober hielt Sebastian Zellweger aus Trogen, der Schwiegersohn des Baumeisters und Aufsehers während des Kirchenbaus, den Firstspruch. Danach zogen die Arbeiter mit dem Firsttännchen von Haus zu Haus und bekamen 80 Gulden Bargeld und dazu 114 Hals- und Nastücher geschenkt. Bis auf 6 Maurer und Steinmetze, welche noch weiterhin beschäftigt werden konnten zog der Hauptteil von ihnen schon am Freitag, dem 13. Oktober, weiter. Das Ziegeldach wurde am 12. November hinauf gebracht. Nach einer Winterpause fanden sich die Arbeiter im März 1809 wieder ein. Am 22. Juni entschied der Baurat, dass der Turm im Taglohn um 4 Quaderschichten höher gebaut würde, als es der Plan und Bauvertrag vorschrieb. Damit erreichte der Mauerstock des Turmes eine Höhe von 110 Fuss, die Kuppel bis zum Knopf 45 Fuss und die Kirchenmauer 36 Fuss. Mitte September 1809 wurde die Kuppel auf dem Turm erstellt. Inzwischen, und auch noch später, wurden die anderen Arbeiten an und in der Kirche fortgesetzt und vollendet. Während des ganzen Kirchenbaus waren keine schweren Unglücksfälle zu verzeichnen, ausser demjenigen von Dachdecker Gebhard Mettler aus Urnäsch, welcher am 25. Oktober 1808, Vormittages um 10 Uhr, vom Kirchendach 40 Fuss herab stürzte. Weil er zuerst auf das Gerüst und dann rückwärts auf Schnee und Erde fiel, wurde ihm das Kreuz tief eingedrückt, was ihm heftige Schmerzen bereitete. Er wurde auf einem Bett in sein Haus nach Teufen gebracht, wo ihn Dr. Tobler gottlob glücklich kurieren konnte, so dass er, noch ehe die Kirche ganz gedeckt war, seine Arbeit wieder fortsetzen konnte. Zur Deckung der Ausgaben wurde am 21. März 1808 eine weitere Kollekte angeordnet und die dabei versprochenen Gelder im Vorsommer 1809 eingezogen. Anfangs 1810 wurden die Kirchenörter vergantet, wobei die für die neu verkauften laut Archiv 10'090 Gulden gelöst wurde. Der Gemeinde blieben neben 175 Plätzen nur noch diejenigen auf der Empore.

Am 8. April 1810 hielt Pfarrer Zuberbühler die Einweihungspredigt mit dem Thema „Heiligkeit sei die Zierde deines Tempels ewiglich“. Als Zuhörer waren von den eingeladenen Beamten alle bis auf einen der Einladung gefolgt, während von den Geistlichen die höchsten Häupter ihres Standes zugegen waren. Von den anderen Zuhörern hatte es so viel, dass die Kirche fast zweimal hätte gefüllt werden können. Die anwesenden Beamten und Geistlichen versammelten sich wieder, wie bei der Ecksteinpredigt, auf der Ratsstube und zogen um 9 Uhr mit Glockengeläut und Musik in die Kirche. Den Zug beschlossen Landweibel und Läufer in der Standesfarbe. Die Instrumentalmusik stand zum Empfang bei der grossen Pforte und stellte sich nachher in zwei Reihen beim Taufstein auf, wo sie vor und nach der Predigt einige Stücke spielten. Nach der Kirche zog der Festzug unter Musikklängen zum „Ochsen“, wo für die hohen Gäste, Amt-, Hauptleute und Räte, Sänger und Musikanten, ein Festessen zubereitet worden war, welches durch Trinksprüche und Musikeinlagen gewürzt wurde. Bereits um 13 Uhr waren Kirchhof und Kirchenplatz wieder voll gestopft mit Leuten, denn um 14 Uhr bewegte sich der Zug wiederum durch das Gedränge des Volkes zur Kirche. Voran schritt die Feldmusik, dann folgten als Sängerinnen 16 weissgekleidete Jungfrauen mit entblösstem Haupt und mit durch Blumen und Bänder gezierten Haaren. Ihnen folgten obrigkeitliche und geistliche Herren mit der Standesfarbe und schlussendlich die Sänger und Mitglieder des Orchesters. Den Beamten und Geistlichen, sowie der Noblesse von Speicher, Trogen und St. Gallen wurden die Plätze auf der Empore frei gehalten. Der Pfarrer sass in seinem Stuhl. Nach einem kurzen Eröffnungswort des Dirigenten und Alt- Landschreibers Tobler begann das „Te deum laudamus“, welches rund 1 ½ Stunden dauerte. Dieses Werk erhielt so viel Beifall, dass es 14 Tage später im „Ochsen“ noch einmal aufgeführt werden musste. Wie sich nun die Gemeinde Speicher seines schönen Gotteshauses erfreute, regte sich auch immer mehr der Wunsch, ein entsprechendes Geläut zu besitzen. Da die Vorsteherschaft anfangs noch nicht dazu bereit gewesen war und noch immer keine Hand bieten wollte, holten sich die eifrigsten Freunde eines neuen Geläutes bei Landammann Schmied die Bewilligung zu einer Kirchhöre. Auf die Einsprache der Vorsteher wurde die Kirchhöre zwar nicht durchgeführt, aber die Befürworter hatten ihr Ziel auch so erreicht. Der Gemeinderat beschloss nämlich am 18. Mai 1810, eine Sammlung durchzuführen und folgende Fragen an die Stimmfähigen zu richten:

 

1.

Ob man das alte Geläute behalten wolle, oder

2.

ob man eine Veränderung in den kleinen Glöcklein vornehmen und noch eine grosse Glocke dazu kaufen, oder

3.

ob man ein ganz neues Geläute anschaffen wolle.

 

Die Mehrheit entschied für die dritte Frage. Bei zwei Umgängen, welche für die neuen Glocken gehalten wurden, kamen folgende Gelder zusammen:

 

Von den Gemeindegenossen ob dem Holz

9’222

Gulden

47

Kreuzer

Von den Gemeindegenossen unter dem Holz

136

Gulden

 

 

Von verschiedenen Gemeindegenossen als Nachtrag

172

Gulden

 

 

Von den Vogtkindern

1’126

Gulden

 

 

Summa          

10'657

Gulden

47

Kreuzer

 

Nun trat man in Verhandlungen mit den folgenden drei Glockengiessern: Rosenlächler in Konstanz, Gebrüder Grasmeier in Feldkirch und Gebrüder Koch in Ravensburg und Salmansweiler. Der Entscheid fiel zugunsten von Rosenlächler, mit welchem am 30. Oktober 1810 folgende Vereinbarung geschlossen wurde:

Nach dieser hatte Rosenlächler:

                              

a.

5 Glocken zu giessen, wobei erste etwa 78 Zentner schwer mit dem Ton B, die zweite 40 Zentner schwer mit dem Ton D, die dritte 22 Zentner schwer mit dem Ton F, die vierte 12 Zentner schwer mit dem Ton B und die fünfte 6 Zentner schwer mit dem Ton D zu liefern waren. Alle Glocken hatten ein Gewicht 158 Zentner Konstanzer Gewicht.

b.

Die Glocken auf seine Kosten und sein Risiko nach Rorschach zu liefern und das Material dort in Empfang zu nehmen.

c.

Dem Tarnsport der Glocken bis hierher und dem Hängen derselben in den Turm beizuwohnen, wofür er aber für sich und einen allfällig mitgebrachten Gesellen zechfrei zu halten war.

d.

Die nötigen Verzierungen und Kränze anzubringen und mit der Gemeinde beliebige Inschriften und die grösste Glocke mit dem Gemeindewappen zu versehen.

e.

1 Jahr gut zu stehen, und

f.

3000 Gulden Bürgschaft zu leisten hat, und endlich

g.

die Glocken unfehlbar bis 14 Tage vor dem Bettag 1811 hierher zu liefern.

 

Die Gemeinde verpflichtete sich:

 

a.

das nötige Material zu liefern, wobei er aber mit Rat und Tat an die Hand gehen musste. Zudem musste ihm für jeden Zentner, den er lieferte, 66 Gulden Reichsgeld bezahlt werden.

b.

Ihm für jedes Pfund 10 Kreuzer, oder für den Zentner Konstanzergewicht 15 Gulden 40 Kreuzer Giesserlohn zu bezahlen und zwar 2/3  des Giesserlohnes, sobald alle Glocken im Turme hängen und den oben genannten Bestimmungen entsprechen, und 1/3 nach Ablauf der einjährigen Gewährszeit u.s.w.

 

Das Metall, etwa 88 bis 90 Wiener-Zentner, lieferte Johann Georg Zscherpen aus Kempten zu einem Preis von 83 Gulden Reichsgeld pro Zentner. Die Gemeinde machte eine Barzahlung von 1000 Gulden, 1000 Gulden wurden  in 14 Tagen oder längstens 3 Wochen franko Lindau überwiesen und den Rest vom 14. Christmonat an in 2 Monaten in Augsburger- Kursbriefen bezahlt.

                                                                            

Die zwei mittleren alten Glöcklein wurden nun zum Verschmelzen nach Konstanz geliefert und die grosse Glocke gegen eine gespaltene aus Montlingen ausgetauscht. Die zwei Gemeinden hatten vereinbart, dass für die alte Glocke aus Montlingen 66 Gulden pro Zentner franko Rorschach bezahlt würde, Speicher aber für die alte Glocke 77 Gulden pro Zentner bekäme. Zudem durfte man die Glocke solange in Speicher läuten lassen, bis das neue Geläut eingetroffen sei. Das alte und kleinste Glöcklein, welches 431 Pfund wog, wurde zurückbehalten, da man es nicht hergeben wollte. Die Vorsteherschaft forderte am 12. Dezember 1810 die Bezahlung der ersten Hälfte der versprochenen Glockengaben. Am 12. Oktober 1811 wurde das Volk informiert, dass mit der baldigen Ankunft der Glocken zu rechnen sei und dass der Rest der versprochenen Spenden zu bezahlen wäre. Am 25. Oktober holte man die neuen Glocken in Rorschach, wohin sie Rosenlächler zu liefern hatte, ab. Fuhrwerke mit insgesamt 29 Pferden brachten die Glocken unter der Begleitung einer grossen Volksmenge, die vom Hagenbuch bis nach Vögelinsegg an Seilen ziehen half, nach Speicher. Diese neuen Glocken hatten folgende Aufschriften und Bilder:

 

Die grosse Glocke

Hat in der Mitte das Speicher- Wappen, mit einem Kranz eingefasst. Auf der Rückseite steht:

„Für löbliche Gemeinde Speicher hat Rosenlächler diese und die vier anderen Glocken gegossen“.

 

Im Weiteren findet man folgende Inschrift:

„Der erste Sieg für Gott, Freiheit und Vaterland wurde erkämpft im Speicher im Jahr 1403. Gott allein die Ehr! Die Gnade unseres Herrn Jesu Christi sei mit euch Allen. Amen“.

 

Die Weiberglocke

Hat im oberen Kranz der Verzierungen die Inschrift:

„Wer meinem Rufe folgt,

Der wird die Arbeit lieben,

Und im Gebet sich stets

Früh und späte üben“.

 

In der Mitte der Glocke:

„Zum Gottesdienst und Lobgesang

Ruft meiner Stimme lauter Klang.

Wer Gott von Herzen liebt und ehrt

Folgt freudig mir, wenn man mich hört“.

 

Die dritte Glocke

Hat im oberen Kranz der Verzierung die Worte:

„So bald du hörst die Glocken läuten,

Zum Gottesdienst tu dich bereiten“.

 

In der Mitte derselben:

„Ehre sei Gott in der Höhe, Friede auf Erden und den Menschen ein Wohlgefallen“.

 

Auf der anderen Seite:

„Jauchzet dem Herrn mit Freuden,

Kommt vor sein Angesicht mit Frohlocken“.

 

Die vierte Glocke:

„Gelobt sei des Herrn Name von nun an bis in Ewigkeit.

Die Evangelisten Lukas und Johannes“

 

Die fünfte Glocke:

„In der Höhe erklingt der Freuden Schall“.

Auf der einen Seite befindet sich der Evangelist St. Mathäus, auf der anderen Markus.

 

Laut Waagschein wiegt:

 

die grösste Glocke

8054

Pfund

die zweite Glocke

4166

Pfund

die dritte Glocke

2322 ½

Pfund

die vierte Glocke

1210

Pfund

die fünfte Glocke

626 ½

Pfund

zusammen

16378 ¾

Pfund

                         

Am 12. November holten die Montlinger die alte Glocke ab.

 

Kirchhof und Kirchenplatz:

Auch mit dem dritten Kirchenbau wurden der Kirchhof und der Kirchenplatz etwas erweitert. Bereits 1807 war die Linde aus dem Jahr 1684 weggeschafft worden. Sie hatte einen Umfang von 14 Fuss und war 78 Fuss hoch und lieferte, nebst einigen Stücken in die Säge, 30 Klafter Scheiter. Bei der Pflanzung im Jahr 1684 hatte der kleine Baum 24 Kreuzer gekostet, bei ihrer Versteigerung brachte er aber 68 Gulden ein. Am 5. April 1808 wurde der „alte Hirschen“ neben der Kirche gekauft, damit man durch den Abbruch des angebauten Schopfes Platz zum Bauen und für die Zufahrtsstrasse erhielt. Der „Hirschen“ wurde zum Schulhaus umfunktioniert und dasjenige im Moos verkauft. Mit Ochsenwirt Hohl tauschte man im Jahr 1810 Boden ab und von Ulrich Schläpfer hinter dem Messmerhaus konnte etwas Boden zum Preis von 22 Gulden gekauft werden, damit man den Fussweg verbreitern und einen Tollgraben machen konnte. Um die Strasse über den Kirchenplatz zu verbreitern und sie etwas von der Kirche zurückzuversetzen, kaufte man von Hans Ulrich Schläpfer im Zaum wurde ein Stück Boden für 150 Gulden ab. Nun besitzt die Gemeinde Boden, welcher rund 6 Fuss weit über die Kirchhofmauer hinausragt. Wir schliessen hier unsere geschichtlichen Informationen über den Bau der Pfarrkirche in Speicher mit der Rechnung über den letzten Kirchenbau.

 

Einnahmen:

 

An freiwilligen Beiträgen:

 

 

 

 

Von Gemeindegenossen                      

50’699

Gulden

24

Kreuzer

Von Beisassen 

2’134

Gulden

7

Kreuzer

Von ausser der Gemeinde wohnenden Gemeindegenossen

1’140

Gulden

22

Kreuzer

Von Vogtkindern          

3’028

Gulden

40

Kreuzer

Für verkaufte Kirchenörter

10’090

Gulden

 

 

Für das alte Schulhaus im Moos

2’822

Gulden

 

 

Für die alte Glocke

909

Gulden

1

Kreuzer

Für Verschiedenes laut besonderen Rechnungen           

3’633

Gulden

 

 

Total Einnahmen

74’456

Gulden

34

Kreuzer

 

Die grösste Gabe der Gemeindegenossen ausserhalb der Gemeinde rührte von Joh. Ulrich Zuberbühler aus Trogen her und betrug 300 Gulden, die drei nächstfolgenden spendeten 33 Gulden. Von den Beisassen gab einer 250 Gulden, ein anderer 200 Gulden, drei 100 - 199 Gulden u.s.w.. Nebst diesen Spenden wurden 1681 Tage Frondienst geleistet und für etwa 2000 Gulden Holz aus den Gemeindewaldungen bezogen. Georg L. Schläpfer im Kaufhaus übernahm die Kosten von 88 Gulden für die Malerei an der Empore und den Lehnen, Statthalter Schläpfer diejenigen für Sonne, Mond und Sterne am Turm, welche Feuervergoldet wurden und 300 Gulden kosteten. Johannes Zürcher bei der Waag hatte die Kosten für die emaillierte Uhrentafel in der Kirche bestritten und Buchbinder Pflick hatte die kleine Tafel auf der Kanzel in Halbfranzband gebunden. Pfarrer Zuberbühler liess die Kanzel mit einem Tuch ausgeschlagen und die Tafel vergolden und schlussendlich wurde von verschiedenen Personen noch 700 Gulden zusammengetragen, damit die Kuppel aus Sicherheitsgründen mit Kupfer gedeckt werde konnte, wobei Johann Ulrich Rüsch versprach, wenn diese Arbeit teuerer als 2000 Gulden zu stehen käme, würde er den Rest selbst bezahlen.

 

Ausgaben:

                              

An Meister Langenegger laut Bauakkord (Bauauftrag)

16’800

Gulden

 

 

Weitere Arbeiten ausser dem Akkord

568

Gulden

19

Kreuzer

Die dazugehörigen Trinkgelder

550

Gulden

 

 

Für Baumaterialien

12’977

Gulden

35

Kreuzer

Für Arbeitslöhne an Handlanger und Taglöhner

5’016

Gulden

19

Kreuzer

Für Fuhrlöhne

4’599

Gulden

57

Kreuzer

Für Schmiedearbeiten und Eisen

2’699

Gulden

57

Kreuzer

Für Kupferschmiedarbeiten

2’904

Gulden

33

Kreuzer

Für Glaserarbeiten

1’269

Gulden

34

Kreuzer

Für Dachrinnen

542

Gulden

46

Kreuzer

Für Einrichtung der Kirchenuhr und Malen der Sonnenuhr

420

Gulden

3

Kreuzer

Für Turmknopf und Fahne

604

Gulden

24

Kreuzer

Für Blitzableiter, nebst Trinkgeldern und Zechen 

310

Gulden

33

Kreuzer

Für Zeichnungen und Modelle

190

Gulden

 

 

Für Reisespesen

572

Gulden

39

Kreuzer

Für Mahlzeiten zum Anlass der Ecksteinpredigt, der

Einweihungspredigt, des Firstweins und des Beschlussweins

452

Gulden

50

Kreuzer

Für Trinkgelder

77

Gulden

 

 

Für Ankauf von Boden

736

Gulden

 

 

Für Ankauf des alten Wirtshauses Hirschen bei der Kirche

3’977

Gulden

29

Kreuzer

Für das Geläute           

12’598

Gulden

3

Kreuzer

Für Verschiedenes laut Handbuch

  6’375

Gulden

33

Kreuzer

Total Ausgaben

74’283

Gulden

34

Kreuzer