Zollstreit mit St. Gallen

 

Obwohl die Gemeinde Speicher als solche nicht in diesen Streit verwickelt war, so ist er doch erwähnenswert. Der Grund liegt darin, dass der Zoll für Speicher als Nachbargemeinde von St. Gallen grosse Bedeutung hatte, da viele mit der Stadt verkehren mussten und deshalb Unannehmlichkeiten zu erdulden hatten. Wir haben schon erfahren, dass der Zollstreit von 1732 der Grund zum betrübten Landhandel gewesen ist. Während dieses Landhandels blieb aber der Zollstreit mit den St. Gallern unerledigt. Ein weiterer Streit wegen eines Leinwandzolles konnte an einer am 25.Mai 1736 in St. Gallen - Bruggen durchgeführten Konferenz wohl beigelegt werden, aber die übrigen Zolldifferenzen blieben unerörtert.

Da St. Gallen die übrigen Zölle weiterhin einzog, gab es in unserem Kanton Unzufriedenheit, was hauptsächlich auf den Transitzoll zurückzuführen war. Die Regierung wurde deshalb immer wieder angerufen, Abhilfe zu schaffen. Diese forderte aber mehr Geduld, da die Sache nicht so dringend sei und dass deswegen kein Streit anfangen werden sollte.

1754 wurde vom Volk in Herisau endlich eine ausserordentliche Kirchhöre wegen dieser Angelegenheit verlangt. An dieser ging es dann sehr lebhaft zu und her. Die Folge war, dass sich nun die Amts-,  Hauptleute und Räte endlich dazu bequemten, die Klagen von Knellwolf, Nänni, Hug und dem jungen Zölper durch den Ratssubstituten Grob von der Kanzel verlesen zu lassen. Die Kirchhöre beschloss anschliessend, vier Gesandte abzuordnen, um in dieser Sache die nötigen Vorstellungen zu machen. Sie konnten bewirken, dass am 23.März 1755 in Bruggen wiederum eine Konferenz stattfinden konnte. Weil aber die Stadt St. Gallen von ihrem Begehren nicht abweichen wollte, sah sich die Regierung von Appenzell-Ausserrhoden genötigt, ihr eidgenössisches Recht vorzuschlagen. Viele Leute in St. Gallen fürchteten sich nämlich, dass man laut Rorschacher Vertrag nicht mehr vor zwölf, sondern nur noch vor die vier löblichen, reformierten Orte treten dürfe. An der Johanni-Tagsatzung 1755 wurden darum Anordnungen gefasst, welche später von den Kanzeln verlesen wurden:

„Weil die St. Galler alte gesiegelte Briefe und Dokumente aufweisen können, dass sie des Zolles halber rechtmässig Anspruch haben, so sollen

 

1.

Die Appenzeller den Transitzoll bezahlen, nämlich, wenn ein Wagen mit 4 oder mehr Pferden bespannt ist, soll er für ein Lastwagen passieren und 15 Kreuzer Zoll bezahlen, wenn aber einer mit weniger als 4 Pferden bespannt ist, sollen sie von jedem Pferd nur 3 Kreuzer bezahlen

2.

Sollen die Appenzeller von all demjenigen, welches sie in der Stadt verkaufen, den Pfund- oder Pfennigzoll zu zahlen schuldig sein

3.

Weil das Salz von altersher als ein Kaufmanngut angesehen wird, so soll wie bis dahin von jedem Fässchen 14 Kreuzer Zoll bezahlt werden, übrige Viktualien aber sollen zollfrei sein

 

Man gab sich mit diesem Urteil zufrieden und die Regierung gebot den Landleuten, sich „des Schmützen, Schmähens und Trätzelns zu enthalten. Gleichwohl gab es hie und da noch Reibungen. So kam Konrad Schläpfer von Speicher mit einem mit Waren beladenen Pferd nach St. Gallen, wo man ihm den Groschen-Zoll nicht abnehmen wollte, sondern den Zoll von der Ware forderte, so dass sich dieser auf etwa 20 Batzen belaufen hätte. Als Schläpfer sich weigerte, diesen Zoll zu bezahlen, nahmen sie sein Pferd in Arrest. Er begab sich schnell zu Landammann Zürcher nach Teufen und beklagte sich bei ihm über das Vorgefallene. Dieser sagte, er hätte nur einen Groschen zu bezahlen und verwies ihn an den Bürgermeister Bernet in St. Gallen. Hier wurde die Ansicht des Landammanns als rechtmässig erkannt und sofort angeordnet, „das Pferd solle dem Schläpfer wieder zugestellt werden“.

Ein anderer Speicherer kam nach St. Gallen, als eben ein Appenzeller Knabe den gesetzlichen Zoll von 1 Kreuzer für ein Kalb entrichten sollte, welches er einem St. Galler Metzger bringen musste. Der Knabe gab vor, dass er kein Geld bei sich hätte. Wie nun der Zolleinnehmer und der Knabe so miteinander im Wortwechsel waren, fragte der Speicherer den Knaben, ob das Kalb bezahlt sei. Als dieser bejahte, gab er ihm den Rat: „Geh du nach Haus, der Metzger wird schon sehen, wie er sein Kalb bekommt“.

Darüber erbittert, schlugen ihn die Umstehenden so arg, dass man zuerst an seiner Gesundheit zweifeln musste.

Dieser Vorfall hatte einzelne aus dem Volk in Rage gebracht. Es gab auch hin und wieder Landsleute, welche viele Unwahrheiten über obrigkeitliche Personen ausstreuten und den oben berührten Zollstreit noch mehr aufzubauschen versuchten. Als aber die Regierung am 5. Sept. 1756 diese Anstifter einkerkerte und durch den Henker abstrafen liess, wurde es still und ruhig.