Wenn Führer eines Volkes von Parteileidenschaft
geblendet sind und der radikale Geist den Meister spielt, lastet ein
schwereres Joch auf dem Volke, als dort, wo das eiserne Szepter eines
Despoten regiert. Das hatte Appenzell Ausserrhoden bereits beim Landhandel
erfahren.
Um die Unordnung noch länger
zu erhalten, folgte auf den Landhandel sofort ein neuer Streit. Der Grund
dazu war eine Rekrutenwerbung für Frankreich, über welche sich viele Leute
aufregten. In Teufen erlaubten sich die Werber und Rekruten kurz vor
Weihnachten Tanz, Spiel und Lärm, obwohl dies gegen die Sitte und die
obrigkeitlichen Verordnungen verstiess. Als sie am Vorbereitungssonntag, nach
dem Vormittagsgottesdienst, die Trommel schlugen und sich auf dem
Kirchenplatz versammelten, kam der Pfarrer mit dem Wirt und dem Fähnrich in
einen hitzigen Streit. Bald mischten sich auch die Bauern ein und der Streit
wurde bald rechtswidrig. Die Bauern waren erbittert, weil die Regierung den
Streit nicht schneller zu Ende führte und den Pfarrer, der 30 Jahre lang sein
Amt zur Zufriedenheit verwaltete hatte, ignorierte. Wegen des Verhaltens des
Wirtes, welchem der Ausschank zwar nicht verboten war, der aber trotzdem die
obrigkeitlichen Auflagen übertreten hatte, zogen am 17. Februar 1735 670 Mann nach Trogen. Durch Zuzug aus
anderen Gemeinden wuchs der Haufen auf über 2000 Mann an. Hier, wo eben der
Grosse Rat tagte, begehrten sie das Ende dieses Handels. Als ihrem Willen
nicht entsprochen wurde und die Herren das Ratshaus verlassen wollten, fielen
sie über diese her und führten sie auf die Ratsstube zurück. Der Grosse Rat
versammelte deshalb am 25. Februar nochmals in Trogen, um eine Lösung zu
finden. Zu ihrem Schutz hatten die Räte etwa 3000 Mann bereitgestellt, welche
sich auch in Teufen und Speicher verteilten.
Die Strafgerichte, welche um
diese Zeit wieder aktiv waren, vermehrten ebenfalls noch die Zahl der
Missmutigen. In diese Zeit der Unzufriedenheit erschienen in St. Gallen und
Bern Briefe und Schriften, welche auch bis ins Appenzellerland gelangten. In
diesen Schreiben wurde die nordamerikanische Kolonie Karolina gepriesen - als
wäre das ein Land, in welchem Milch und Honig fliessen würde. Auch würde das
Land unter diejenigen verteilt, welche sich dort niederliessen. Das Ferne
erscheint ja bekanntlich angenehmer, als es das Alltägliche bietet. Kein
Wunder also, wenn bei dieser Unzufriedenheit eines grossen Teils unseres Volkes
viele die Lust zum Auswandern bekamen. Der oben angedeutete Streit wegen der
französischen Rekruten-Kompanie half hier natürlich stark mit.
Die Regierung warnte zwar vor
der Auswanderung, konnte aber bei der grossen Frust über die Verhältnisse im
Vaterland, die Sehnsucht nach einer neuen Heimat nicht unterdrücken. Sie
drohte deshalb den Auswanderungswilligen, sie
müssten entweder ihr halbes Vermögen zum Trost hinterlassen oder das
Landrecht quittieren und dazu 10% vom Vermögen abziehen lassen. Wer sich aber
heimlich entferne, werde das Landrecht für immer verlieren.
Trotzdem wollten viele das
sturmbewegte Vaterland verlassen um in der Ferne eine friedlichere Existenz
aufzubauen.
Am 6. September 1736
versammelten sich in Arbon 99 Personen. Dabei waren
Männer, Weiber und Kinder, ganze Haushaltungen und einzelne Personen, welche
nach Karolina auswandern wollten. Die meisten kamen aus Teufen und Rehetobel. Es gab aber auch Leute aus Wald, Trogen und
Speicher.
An ihrer Spitze standen zwei
beliebte Männer - der im Landhandel abgesetzte Landeshauptmann Tobler aus Rehetobel und der
oben angeführte Pfarrer Zuberbühler aus Teufen.
Dieser hielt an mehrere hundert anwesende Zuschauer, Freunde, Verwandte und
Neugierige eine ergreifende Abschiedspredigt über die Worte: „Gehet weg von
Ihnen, sondert euch ab!“
Der berührende Akt bewegte
viele Herzen. Als das Schiff die Wellen des Bodensees durchschnitt, flossen
viele Tränen. Das Segelboot mit den Freunden und Verwandten entschwand auf
dem See allmählich den Blicken der Zurückgebliebenen.
Als sie endlich in Süd - Karolina ankamen, liessen
sich die meisten nieder. Landeshauptmann Tobler,
als Verfasser des Appenzellerkalenders, redigierte diesen noch einige Jahre
aus der Ferne. In den Jahrgängen von 1753, 1754 und 1755 machte er eine Beschreibung dieser
englischen Kolonie. Aber nicht alle Ausgewanderten fanden hier das Land, auf
das sie gehofft und nach dem sie sich so gesehnt hatten. Sie waren eben auch
da noch Bewohner einer unvollkommenen Welt. Man bekäme wohl viel Boden, so
sagten viele in die Heimat Zurückgekehrte, bis aber dieser endlich angebaut
sei und Ertrag abwerfe, sei es schwierig, Nahrung, Kleidung und Decken zu
erhalten.
Viele in der Ferne Niedergelassene starben bald. Nur
von wenigen erhielt man später bessere Nachricht.
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