Gemeindehaushalt, Armenwesen

 

Wir haben nun die Männer kennen gelernt, welche für das Wohl des Gemeindehaushaltes verantwortlich waren und gehen nun zum Gemeindehaushalt selbst über. Für christliche Gemeinden zählte die Unterstützung ihrer Not leidenden Mitbewohner und der Armen schon immer zu den wichtigsten Pflichten, weil sich darin die Nächstenliebe am besten ausdrücken kann. Aus diesem Grund behandeln wir zuerst:

 

Vom Armenwesen

Früher erhielten nur die Ärmsten unter den Armen Unterstützung, welche meist nur aus Naturalien bestand und sich auf Molke, Käse, Milch, Baum- und Erdfrüchte beschränkte. Erst im 17. Jahrhundert fing man an, den Bettlern Pfennige auszuteilen, weil wegen der florierenden Leinwandfabrikation mehr Geld in Umlauf gesetzt wurde. Diese Praxis war aber in der Bekämpfung der Armut nicht sehr erfolgreich, denn durch Missbrauch und laxe Handhabung der Polizeigesetze vermehrten sich die Bettler weiter. Zudem war es üblich, die Armen durch ihre vermögenden Verwandten unterstützen zu lassen, welche dann bis ins achte Glied der Verwandtschaft ihren Beitrag zu entrichten hatten. Diese Unterstützung wurde „Freundschaftssteuer“ genannt. Obschon durch den Landsgemeindebeschluss von 1737: „Es soll künftig jede Gemeinde ihre Armen selbst versorgen und auf die Bewohner anderer Gemeinden keine Steuern mehr ausgehoben werden“, diese Art der Besteuerung bedeutend eingeschränkt worden war, so wurde sie auch in Speicher mit kurzen Unterbrechungen dennoch bis 1792 beibehalten. Der Grund lag in der nötigen Versorgung der vielen Waisenkinder. Früher erhielten die Gemeinden auch vom Kanton einen Unterstützungsbeitrag für die Armen, welcher auch den monatlichen Betrag an den Schullohn für die armen Kinder beinhaltete. 1798 wurde dieser Armenfond an die Gemeinden nach der Anzahl der Einwohner verteilt, gleichzeitig wurde aber auch der Wohltätigkeitssinn der Einwohner zu Liebessteuern für die Armen angesprochen.

Nach der Reformation wurde in unseren Mutterkirchen St. Lorenzen und Linsebühl angefangen, während des Gottesdienstes mit dem „Säckli“ Steuern für die Armen einzuziehen. Auf diese Weise hatten schon die ersten Christen  für ihre notleidenden Brüder in Jerusalem gesteuert. Diese christliche Tat führte man 1615, also gleich nach dem ersten Kirchenbau, auch in unserer Gemeinde ein und verband damit die Neujahrstage mit einer Steuer für die Sondersiechen. Weil aber die Zuhörer durch das Einsammeln während des Gottesdienstes in ihrer Andacht gestört wurden, so versuchte man diese Steuern hundert Jahre später (1715) durch Quartalssteuern zu ersetzten, welche die Vorsteher unter den Kirchtüren einzogen. Eine zusätzliche Kollekte wurde eine Zeitlang monatlich für die Waisenkinder eingezogen, welche aber 1747 auf Grund des folgenden Ediktes von der Vorsteherschaft abgeschafft wurde:

„Sie erachten für anständiger dass solche Steuern könnten unterlassen werden, weil die öftere Einsammlung derselben ihnen nicht nur verdriesslich, sondern auch wegen fremden Leuten höchst schimpflich sei, deswegen solche abgeschafft und ein Jahr probiert werden soll, wobei die Reichen und Vermögenden treulich gebeten sein sollen, bei den Quartembersteuern desto besser anzugreifen, damit man nicht genötigt werde, das vorige wieder zur Hand zu nehmen. Es wird ein fleissiges Aufsehen gehalten werden, und diejenigen, so vermögend sind, und mit schlechtem Almosen erscheinen, entweder aufzuzeichnen, oder, vor uns zu stellen gesonnen sind. Erkennt in treuer Wohlmeinenheit 1747“.

Man erkannte schnell, dass mehrere Sammlungen im Gesamten mehr abwarfen und führte 1774 an Stelle der  Quartalssteuern die Monatssteuern ein, welche noch heute üblich sind. Gleichzeitig wurde auch an Hochzeiten eine Steuer für die Armen eingesammelt und diejenigen, welche sich ausserhalb der Gemeinde vermählten, mussten sich verpflichten, wenigstens eine Hochzeitssteuer von 1 Gulden für die Armen zu entrichten. 1797 beschloss die Vorsteherschaft, dass der Ratsherr, welcher mit dem Bräutigam ins Pfarrhaus begleitete und dabei die Hochzeitssteuer nicht einzog, diese aus dem eigenen Sack bezahlen müsse. Später dehnte man die Hochzeitssteuer auf jeden heiratswilligen Gemeindebürger und Einwohner der Gemeinde aus, wobei der Betrag im Jahr 1846 auf 2 Gulden erhöht wurde. Neben diesen Steuern machten Hunger und verdienstlose Jahre noch weitere ausserordentliche Sammlungen notwendig, damit den Armen, mittellosen Alten, bedrängten Witwen und verlassenen Waisen geholfen werden konnte.

Nachdem die Obrigkeit 1740 das Betteln verboten hatte, wurde 1742 in Speicher eine Sammlung durchgeführt, die einen wöchentlichen Betrag von 17 Gulden abwarf. Diese öffentliche Unterstützung dauerte aber nicht lange und die Versorgung der Armen fiel wieder den Verwandten zur Last. Beim Ausbruch der 1770er Hungerjahre fanden wieder solche Umgänge statt. Auf diese Weise wurden 1769 wöchentlich etwa 40 Gulden zusammengesteuert. Speicher hatte damals auch durch die Obrigkeit in Schwaben Korn gekauft und verteilte davon wöchentlich ein Quantum von 8 Vierteln unter die Armen. Bereits 1794 und in den darauf folgenden Jahren musste wieder „Quantumsbrot“ bezogen werden, weil der Krieg Frankreichs mit den umliegenden Ländern eine starke Teuerung verursachte. Speicher liess vom März 1795 bis Ende Mai 1797 für 24'119 Gulden 17 Kreuzer Brot backen. Die Bäcker mussten das Korn nach Akkord in Rorschach abholen, einem Zug mahlen und sofort zu Laiben von 4 ½ Pfund backen. Dafür durften sie die anfallende Kleie behalten und erhielten pro Laib 1 ½ Kreuzer als Lohn.                       

Während der Zeit der Helvetik wurde die Unterstützung der Armen durch besondere Steuern gefördert. Am 5. April 1800 liess Unterstatthalter Schläpfer in Speicher an jede der sieben Gemeinden des Distriktes Teufen die Aufforderung der Regierung mitteilen, auf den 8. April je ein Mitglied aus der Verwaltungskammer und eines aus der Munizipalität nach Teufen zu delegieren. An dieser Versammlung wurden Mittel und Wege gesucht, wie der Gassenbettel abgeschafft und die Unterstützung der Armen organisiert werden könnte. Schläpfer liess dann am 11. April eine Bekanntmachung an das Volk verkünden, in der die Beschlüsse der Versammlung offen gelegt und das Volk aufgeforderte wurde, in den Sammlungen freigiebig zu sein. In der gleichen Angelegenheit berieten sich am 16. Oktober die Unterstatthalter des Kantons und erteilten danach den Munizipalitäten folgende Instruktionen:

 

1.

Dass die Munizipalitäten vereint mit den Gemeindekammern unfehlbar und gewiss bis auf den 12. Wintermonat die Rubriken auf der eigens dazu beigelegten Tabelle richtig und genau ausfüllen und den Zustand der Armen schildern.

2.

Dass eine jede Gemeinde bemerke, ob sie ihre Armen zu erhalten im Stande sei, ob sie auch noch anderen Gemeinen etwas für den Unterhalt der Armen geben könne, oder aber dieser Unterstützung vonnöten sei.

 

Speicher entschloss sich nach Rücksprache mit den anderen Gemeinden zu folgendem:

 

1.

Ihre Gemeindearmen selbst zu erhalten und den allbereits aufgehobenen Gassenbettel ganz abzuschaffen.

2.

Zugeben, dass für einen armen Distrikt oder eine arme Gemeinde alljährlich eine oder zwei Steuern unter den Kirchtüren gesammelt werden möge.

 

Für die eigenen Armen steuerte Speicher zuerst jeden Monat, dann jedes Vierteljahr und schlussendlich jedes Halbjahr. Die Steuer betrug Anfangs etwa 360 Gulden und wurde nicht nur unter die Gemeindebürger allein, sondern auf alle Mitbewohner aufgeteilt. Im Jahr 1803 wurden in der Woche Beiträge von total 11 Gulden 35 Kreuzer an die Armen und 5 Gulden 57 Kreuzer für Hauszinse ausbezahlt.

Neue Not verursachte der 1809 ausgebrochene Krieg zwischen Österreich und Frankreich, weil dadurch kein englisches Garn mehr bezogen werden konnte. Speicher musste 3108 Gulden 37 Kreuzer unter seine Armen austeilen. Die Not stieg noch weiter an, als die Tagsatzung im Juli 1811 die Einfuhr aller englischen Waren verbieten musste. Der Mangel an Arbeit nahm immer mehr überhand. Um ihm entgegen zu wirken, wählte Speicher am 8. November eine eigene Armenkommission, welche den Leuten Arbeit verschaffen sollte. Gleichzeitig verbot man den Gassenbettel. Die Armenkommission kaufte nun Garn, liess es spinnen und versteigerte das gesponnene Garn. Der Spinnerlohn für den „Schneller“ betrug anfänglich 3 Kreuzer, fiel aber bald auf 2 ½ zurück um später wieder auf 3 Kreuzer zu steigen. Zu all diesen Aktionen wurde noch eine zusätzliche Steuer eingezogen, welche sich eine Zeit lang wöchentlich auf 100 Gulden belief. Jeden Montag wurden auf der Ratsstube zirka 66 Gulden in Form von Brot, Musmehl, Erdäpfeln, Butter und Geld verteilt. Am 16. Juni 1812 konnte die Verteilung auf alle 14 Tage beschränkt und hörte im April 1813 ganz auf, weil sich die Lage entscheidend verbessert hatte. Die Armengaben wurden nun herabgesetzt, die Besorgung der Armen wieder den Armenpflegern überlassen und die Bezahlung der notwendigen Hauszinse und Kleider von der Gemeinde übernommen.

Die grösste Hungersnot hatte unser Land aber in den Jahren 1816 und 1817 zu ertragen und die Opfer für den Armenhaushalt wurden beispiellos. Bereits am 26. September 1816 wurde eine Armenkommission gewählt und das Volk mittels einer Proklamation um Beiträge für die Armen gebeten. Bei der darauf erfolgten Sammlung vom 8. November wurden denn auch schöne Beiträge gespendet, so dass monatlich etwa 390 Gulden zusammenkamen. Über 60 Personen verpflichteten sich, wöchentlich 4 Kreuzer an die Armen zu bezahlen, über 40 versprachen 6 Kreuzer und etwa 20 Personen je 8 Kreuzer usw.. Das Mitgefühl war stärker denn je spürbar und so gab es 2 Mitbürger, welche in der Woche freiwillig 3 Gulden bezahlten. Schon bald reichte aber dieses nicht mehr und die Armengaben mussten bedeutend erhöht werden. Als auch diese Erhöhung noch nicht den gewünschten Erfolg brachte, wurde im August eine Vermögenssteuer von 2 Gulden auf Tausend Gulden verfügt, welche aber bereits im Oktober wiederholt werden musste. Die Unterstützung der Notleidenden fand nicht nur mit Geld, sondern grösstenteils mit Lebensmitteln statt. Die schon erwähnte Armenkommission teilte vom 24. Oktober 1816 bis 27. Juni 1817 zur Hauptsache Musmehl aus, es gab aber auch andere Viktualien wie Erdäpfel vom 12. Dezember 1816 bis 9. Januar 1817 und Brot, welches vom 1. Mai bis zum 26. Juni 1817 ausgeteilt wurde. Zwischen dem 3. Juli und 2. November 1817 kochte man den Armen wöchentlich 1900 – 2400 Portionen Suppe, wobei sie in der Regel jeden Werktag einmal und am Samstag und vor Festtagen zweimal - das zweite Mal war für den folgenden Tag gedacht - ausgeteilt wurden. Die Suppe konnte im Waschhaus auf der Röhrenbrugg und in bei Laurenz Koller in der Au, wo sie in gewöhnlichen Kesseln gesotten wurde, abgeholt werden. Sie bestand  aus 4 Pfund Gerste, 2 Pfund Reismehl, 2 Pfund Musmehl mit Grüben oder Knochenfett, Salz und einem Eimer Wasser. Diese Suppenaktion kostete die Gemeinde 1947 Gulden 41 Kreuzer. Vom November 1817 bis Mitte Mai 1818 wurden dann hauptsächlich Musmehl und Brot ausgeteilt. Zur Linderung der Hungersnot wurde auch holländischer Weizen gekauft. Von dem von den Regierungen Bayerns und Württembergs bewilligten Kornquantum erhielt Speicher wöchentlich 110 Viertel. Das von diesem Quantum gebackene Brot wurde anfangs wöchentlich zweimal an die Armen ausgeteilt. Später backte man für drei Seelen wöchentlich ein Laib, was auf die Gemeinde 796 Brote ergab. Die Schwende bekam davon 32 Viertel, wovon Jakob Graf aus der Au bei Ratsherr Tobler an der Kohlhalde das Brot beziehen musste und es zu einem Preis von 1 Gulden 10 Kreuzer verkaufen durfte. Das reguläre Brot kostete bei den Bäckern um diese Zeit 1 Gulden 24 Kreuzer.

Weil viele aus Mangel an Arbeit oder wegen fehlender Fähigkeiten gar nichts verdienen konnten und der Rest zu einem einzigen Lohn arbeiten musste, der aber in gar keinem Verhältnis zu den Lebensmittelpreisen stand, versuchte man das Volk zu beschäftigen. Von den um Unterstützung nachgefragten Personen verdiente z.B. ein Weber wöchentlich 28 Kreuzer bis 1 Gulden 45 Kreuzer, ein Spuler 4 Kreuzer bis 2 Gulden, eine Stickerin, Höhlerin, Festoniererin 30 Kreuzer bis 1 Gulden und eine Ausschneiderin 18 bis 42 Kreuzer. Damit diesen Handwerkern geholfen werden konnte, wurde eine Kommission von 7 Mitgliedern ernannt, welche bei den Fabrikanten um Arbeit nachsuchte. Diejenigen, welche noch nichts verdienen konnten, liess man in den verschiedenen Zweigen der Fabrikation unterrichten. Auf diese Weise lernten 10 Personen das Spinnen und 23 Personen den Blattstich, das Höhlen, Sticken, Nischeln, Knöpfeln und Festonieren, oder mehrere Tätigkeiten davon gleichzeitig. Als Lehrerin konnte die Tochter von Adam Schläpfer im Bendlehn gewonnen werden. Obwohl diese Ausbildung Kosten von 204 Gulden 11 Kreuzer verursachte, hatte sie nicht viel gewirkt. Sobald der Ernst der Lage etwas nachgelassen hatte, wurden laut Landeshauptmann Zuberbühler sel. wieder die gewöhnlichen Beschäftigungen vorgezogen. Speicher gab während dieser furchtbaren Hungersnot zirka 10'000 Gulden für die Armen aus. In diesem Betrag sind die 4000 Gulden nicht mitgerechnet, welche für das Waisenhaus ausgegeben wurden.

Von der grossen Teuerung und der damit verbundenen Hungersnot gibt folgendes Verzeichnis der Brotpreise eine Übersicht:

                                                                                                                                       

Datum

Maximalpreis

Datum

Maximalpreis

1817

Gulden

Kreuzer

1818

Gulden

Kreuzer

2. Januar 1817

 

39

Januar

 

44

Februar

1

 

Februar

 

44

März

1

2

März

 

36

April

1

24

April

 

34

Mai

1

52

Mai

 

29

Juni

2

 

Juni

 

30

Juli

1

52

Juli

 

28

August

1

24

August

 

24

September- Dezember

 

44

September-Dezember

 

20

 

Wie gross die Not war, das beweist der Umstand, dass viele Güterbesitzer ihr Vieh schlachten mussten. Beim daraus erfolgten niedrigen Heupreis war der Erlös des Heues so gering, dass er kaum vor Hunger schützen mochte. Zudem konnten sie nicht zinsen und trotz der grossen Anstrengungen der Vermögenden sterben viele an den Folgen des Mangels. Das Waisenhaus war über und über voll und jeden Tag kamen mehr Menschen, oft auf dem Bettelgang. Auch im Waisenhaus litten viele an der Hungergeschwulst, obschon dort niemand richtig Hunger leiden musste. Zum ganzen Leid trat im Spätjahr noch das Nervenfieber auf, wobei im Waisenhaus beinahe alle von dieser Krankheit angesteckt wurden, selbst die Waiseneltern wurden krank. Mit viel Mühe gelang es endlich, für diese Zeit Brunnenmeister Altherr und sein Weib für die Vertretung der Waisenelternstelle zu gewinnen. Der pflichtgetreue Waisenpfleger und nachherige Landeshauptmann Zuberbühler liess sich deswegen nicht abhalten, das Waisenhaus wöchentlich zwei- bis dreimal zu besuchen. Auf Grund der sorgfältigen Beachtung der nötigen Vorschriftregeln blieben er und seine Familie von der Krankheit verschont.

Seit diesen unsäglichen Jahren der Not und Pein wurde Speicher von einer solch grossen Teuerung bis jetzt verschont, obwohl es weitere Jahrgänge gab, welche ebenfalls bedeutende Ausgaben für die Armen erforderten. Erwähnenswert sind dabei die Jahre 1832 und 1833, wo zur Linderung der Not wieder eine Landesarmenkommission eingesetzt wurde, um besonders den ärmsten Gemeinden zu helfen. Auch in den Jahren 1846 und 1847 waren die Mittel sehr knapp, was aus den nachfolgenden Armenrechnungstabellen ersichtlich ist. Die eigentliche Armenrechnung fangen wir aber nicht mit dem Jahr 1614 an, weil eine solche vollständige Tabelle zu umfangreich würde und beim Stand der früheren Buchführung unmöglich zu erstellen wäre. Wir starten deshalb die Aufzeichnung mit dem gegenwärtigen Jahrhundert und beschränken uns in Bezug auf das 17. und 18. Jahrhundert auf  Notizen. Die erste Armenrechnung findet sich im Kirchenrechnungsbuch und ist datiert mit dem Jahr 1619, wo es hiess:

 

1619

„Item sol Andreas Schitli armen lütenpfleger, ist dem armen gut 1 Gulden.

 Item die Kirchhöre sol ihren armen zum Spycher 7 Gulden 2 Batzen“

1626

“Summe der armen lüthen schulden tut 61 Gulden 11 Kreuzer“

1658

Hernach folget der armen lüten gelt

Ho Hans Tanner sol 25 Gulden 10 Kreuzer uff Lichtmess

Me sol die Kirchhöre 52 ½ Gulden 5 Batzen

Bli Koller im herbrig sol den armen 2 ?? und 3 Batzen

Michel Rechsteiner zu Bendlehn sol den Armen 24 Gulden 40 Kreuzer und 2 Kreuzer

1662

Mehr sol die Kirchhöre 52 Gulden 12 Batzen 2 Kreuzer

Die Kirchhöre bleibt den Armen 50 Gulden 1 Kreuzer übrige 2 Gulden 12 Batzen samt den Zinsen hat man den hausarmen in der gemeind geben Enzen Jaggelin 5 Gulden, Martis Hansen selig 2 Gulden, das übrige etliche steuren für arme presthafte zu erfüllen.

1668

Das vergangene Jahr hat man 8 Gulden 3 Kreuzer onder die frömbden armen austeilt und darum ordentliche Rechnung geben.

1685

Erstlich gab ich (der Pfarrer, der, wie es scheint, die Austeilung des in den Stock gefallenen Geldes besorgte) Rechnung wegen des anvertrauten Armenguts, es ist dis jahr ausgeteilt worden 21 Gulden 5 Kreuzer 2 Kreuzer Jte von Hans Sauter 5 Gulden 4 Batzen 3Kreuzer, Aufs neuw in den stock gefallen, belauft sich auf 17 Gulden weniger 8 Kreuzer. Bartli Grunholzer sol den armen und Schulkindern 120 Gulden 5 Batzen.

1696

betrug das Armenkapital „ohngefehr 480 Gulden“

1700

„ohngefehr 530 Gulden“

1710

Armengeltlein oder was in den stock gefallen ist ausgeteilt worden 27 Gulden.

Jtem von Häni Tanner 5 Gulden 4 Batzen.

Aufs neuw in den stock gefallen, belauft sich auf 26 Gulden.

Den Hausarmen ist dies jahr ausgeteilt worden 36 Gulden.

Die Armen haben ohngefehr Capital 700 Gulden.

1716

kommt ein Adam Niederer als Armeneinzieher und

1717

als Armenpfleger vor.

1718

ist von Amt Hauptlüt und Räten verordnet worden, dass von dato an ein jeweiliger Armenpfleger zu seiner Besoldung haben soll 1 Gulden 48 Kreuzer

1719

betrug das Armenvermögen 808 Gulden

1730

stieg es auf 1210 Gulden und hatte 60 Gulden 51 ½ Kreuzer Ausgaben

1736

belief sich das Vermögen auf 1828 Gulden und die Ausgaben auf 97 Gulden 44 Kreuzer

1764

Zu dieser Zeit betrug das Armenkapital zirka 5000 Gulden. Im Oktober wurde das 150 - jährige Jubiläum der Stiftung der Kirchgemeinde Speicher gefeiert, und bei dieser Gelegenheit beschlossen „Amt Hauptleüt und Räte, die Schuldtitel aller Gemeindegüter, jedes für sich allein, aufzuzeichnen“

1792

Das Armenkapital betrug 8027 Gulden 12 Kreuzer

 

Von 1801 an gibt die nachfolgende Tabelle Auskunft über den finanziellen Zustand des Armengutes. Dieses erhielt seine Zuflüsse, nebst den schon vorher erwähnten Steuern, aus den Zinsen des Kapitals und den Vermächtnissen, welche z. B. von 1733 – 1763  2558 Gulden und von 1765 – 1800  7565 Gulden betrugen. Auslagen wurden gemacht für: Hauszins für Arme, Wochengaben, Extragaben, Kleider und Bettelgewand, Arztkonti, Begräbniskosten, Lehrlohn, früher auch Schullohn für arme Kinder und verschiedene andere, kleinere Ausgaben.

 

Armenrechnungstabelle:

 

Jahrgang

Einnahmen

Ausgaben

Vermächtnisse

Vermögen

 

Gulden

Kreuzer 

Gulden

Kreuzer

Gulden

Kreuzer

Gulden

Kreuzer

1801

1117

45

1328

27

200

 

5993

3

1802

1102

24

867

43

208

 

6093

 

1803

1721

52

1798

 

750

 

6771

9

1804

1561

4

2392

59

131

 

6339

38

1805

2196

45

1980

14

944

 

7287

4

1806

1862

48

1971

13

372

 

7373

46

1807

1604

13

1803

39

33

 

7624

35

1808

1522

3

2102

9

11

 

7649

3

1809

1538

53

2889

50

214

 

7599

3

1810

1547

33

2625

23

61

 

7789

3

1811

1178

15

3426

 

60

 

8024

25

1812

1834

34

5207

8

590

 

8024

23

1813

1990

46

2597

58

416

 

8159

20

1814

2838

31

2882

8

316

 

8859

43

1815

1835

30

1930

57

151

42

8859

43

1816

2037

14

3035

24

86

 

9159

43

1817

6381

37

9906

31

90

 

9475

28

1818

4504

58

4792

34

 

 

8923

28

1819

2989

14

2922

58

100

 

9043

46

1820

2557

36

2369

32

700

 

9798

26

1821

2083

57

1634

12

500

 

9308

26

 

Wir möchten die Rechnungen der Jahrgänge 1816, 1817 und 1818 etwas ausführlicher betrachten, da sie in Bezug auf die herrschende Not sehr aussagekräftig ist:

 

Einnahmen:

1816

1817

1818

 

Gulden

Kreuzer

Gulden

Kreuzer

Gulden

Kreuzer

Zinsrodel

383

55

389

20

 

 

Monatssteuern

385

13

335

58

 

 

Nachtmahl- und Bettagssteuern

365

29

325

46

 

 

Hochzeitsgaben, Hochzeitssteuern

69

05

20

47

 

 

Bussen

9

18

1

 

 

 

Rückzahlungen

129

20

96

59

 

 

Armeneinzüge

630

 

4211

54

2639

13

Hintersässgeld

57

36

35

42

 

 

Nichtbezogene Neujahrsgelder

7

18

 

 

 

 

Quantumshafer und Nachmehl verkauft

 

 

143

52

 

 

Geschenk vom Armenpfleger Zuberbühler

 

 

52

30

 

 

Vom Seckelmeister Tobler zum Ankauf von Kartoffeln vorgeschossen

 

 

74

 

 

 

Von den Vermächtnissen bei Seckelmeister Tobler enthoben

 

 

363

49

147

 

Zedelabzahlung

 

 

330

 

 

 

Summa

2037

14

6381

37

4504

58

Dem Armenpfleger Saldo

998

10

3524

54

287

36

Total Einnahmen

3035

24

9906

54

4792

34

 

Ausgaben:

1816

1817

1818

 

Gulden

Kreuzer

Gulden

Kreuzer

Gulden

Kreuzer

Kassiersaldo vom vorigen Jahr

143

30

 

 

 

 

Hauszinse

645

55

1295

 

1167

45

Wochengelder

746

 

1576

8

1033

22

Lehrlohn

50

 

 

 

 

 

Extragaben

535

49

819

7

314

35

Kleider und Bettgewand

247

44

207

52

183

15

Arzt- Abwart- und Begräbniskosten

313

55

792

19

1026

35

Zehrpfennige an Reisende à 3 Kr.

80

42

41

33

23

3

Büchergeld von Pfarrer Saldo zum Besten des Armenseckels

 

48

3

17

2

19

Armenkommission

271

1

 

 

1038

58

Quantumhafer

 

 

1556

32

 

 

Musmahler-Lohn

 

 

84

9

 

 

Musmehl gekauft

 

 

962

24

 

 

Erdäpfel

 

 

74

 

 

 

Geldgaben

 

 

537

59

 

 

Suppenanstalt

 

 

1947

41

 

 

Zwei neue Schreibbücher

 

 

8

30

 

 

Reinigung des Rathausganges

 

 

 

 

2

42

Total Ausgaben

3035

24

9906

31

4792

34

 

Rückschlag im Armengut

Gulden

Kreuzer

Saldo dem Kassier von 1818

998

10

Saldo dem Kassier von 1819

3524

54

An Seckelmeister Tobler           

 

74

Vermächtnisse, welche kapitalisiert werden sollten, aber bei Seckelmeister Tobler enthoben wurden

363

49

Ein Zedel abgezahlt

  330

50

Total

5290

53

 

Armenrechnungstabelle: (Weitergeführte Tabelle von oben)

 

Jahrgang

Einnahmen

Ausgaben

Armenausgaben

Vermächtnisse

Vermögen

 

Gulden

Kreuzer

Gulden

Kreuzer

Gulden

Kreuzer

Gulden

Kreuzer

Gulden

Kreuzer

1822

2311

3

2226

22

1596

41

400

 

9708

26

1823

1791

30

2157

34

1719

55

160

 

9944

14

1824

3343

6

3758

11

2051

14

161

 

10954

26

1825

2227

18

3031

13

2073

45

235

 

12306

53

1826

3440

48

4285

18

1606

25

1642

 

13904

17

1827

6950

18

7189

14

1917

9

61

 

13818

45

1828

3958

58

4881

53

2054

33

2172

 

16181

5

1829

6507

15

6595

58

1890

45

3786

54

21442

39

1830

1592

15

2192

14

1944

30

526

 

20504

36

1831

2830

 

2962

52

2210

26

864

10

21276

40

1832

4010

46

3839

19

3569

19

913

30

22261

10

1833

3792

58

2941

25

2758

35

683

 

23070

54

1834

2605

7

2560

35

2508

35

740

 

23812

4

1835

2692

 

2095

 

2038

17

307

 

24093

39

1836

2507

41

2313

54

2254

14

157

 

24175

39

1837

2887

49

2638

11

2562

30

278

 

24589

20

1838

2856

 

2772

50

2689

19

27

12

24619

52

1839

2726

14

2605

51

2529

48

181

36

24614

28

1840

3008

34

2428

40

2356

37

1681

12

26225

50

1841

2694

3

2279

54

2217

19

40

 

26235

45

1842

2588

47

2225

9

2183

9

350

 

26618

33

1843

3007

41

2338

21

2270

5

 

 

26651

46

1844

2890

54

2558

34

2471

55

216

12

26850

32

1845

2558

22

2468

34

2395

21

50

 

26810

15

1846

3128

23

2829

43

2769

27

186

18

26994

41

1847

3924

27

3768

29

3675

50

16

12

27068

7

1848

3253

10

3131

50

2991

56

64

 

27238

7

1849

2617

26

2549

22

2479

28

75

 

27533

45

1850

2431

33

1980

54

1934

55

177

 

27747

4

 

Die wirklichen Auslagen an die Armen betrugen von 1821 – 1850, also während 30 Jahren genau 69'235 Gulden 53 Kreuzer. Unter den übrigen Ausgaben sind auch Kapitalanlagen etc., und unter den Einnahmen die Kapitalabzahlungen, Vermächtnisse etc. inbegriffen.

 

Die Armen- und Waisenhäuser

Wir haben schon im vorherigen Kapitel die Waisenhäuser erwähnt und wollen nun über ihre Entstehung und Geschichte berichten:

Die in den Hungerjahren von 1770 – 1772 so sehr überhand genommene Zahl der Armen und die Schwere der Armut selbst erfüllten viele Herzen mit Wehmut. Je tiefer nun das Mitleid in den Herzen der Väter  unserer Gemeinde und anderer Männer verwurzelt war, umso klarer erkannte man, dass die bisherigen Mittel zur Behebung der herrschenden Not noch lange nicht ausreichten. Mit der zunehmenden Armut suchte man verzweifelt nach Leuten,  welche die bisherigen Helfer unterstützen und den Armen stärkeren Beistand leisteten konnten. Aus diesen Gründen kamen Männer in verschiedenen Gemeinden auf den Gedanken, Waisenhäuser zu errichten. In diesen sollten von der Arbeit ermüdete Alte den Rest ihrer Tage ruhig und ohne Nahrungssorgen verbringen können, körperlich Gebrechliche verpflegt werden und schutzlose Waisen Obdach, Pflege und Erziehung finden. Dieses Ziel wurde tatkräftig weiterverfolgt und mit Hilfe anderer gemeinnütziger Mitbürger konnten diese Anstalten ins Leben gerufen werden. Nachdem 1768 in Trogen und 1769 in Herisau bereits solche Waisenhäuser errichtet worden waren, beschloss Speicher an der Kirchhöre von 1791, ebenfalls nachzuziehen. Dieser Entscheid wurde zudem durch die Ankündigung von Michael Rechsteiner begünstigt, welcher ein Geschenk von 1000 Gulden versprach, wenn die lästigen Freundschaftssteuern abgeschafft würden und ein Waisenhaus errichtet werden könnte.                      

Im folgenden Jahr wurden folgende Beiträge für das neue Waisenhaus gesammelt:

 

 

Gulden

Kreuzer

Ob dem Holz

10904

15

In der Schwende          

647

12

Von auswärtigen Gemeindegenossen 

248

22

Von allen Vogtkindern

398

15

Gemachte Vermächtnisse

2963

 

Versprochene Vermächtnisse

740

 

Gabe von Herrn Sulzer

100

 

Summa          

16000

4

 

Das gesammelte Geld wurde nun an Zins gelegt und das Haus Nr. 179 an der Kohlhalde in Pacht genommen. 1797 nahm man die gute Gelegenheit wahr, die Heimat Nr. 168 auf der Holderschwende für 4850 Gulden zu kaufen. Die anfängliche Zahl der hier untergebrachten Armen vergrösserte sich zusehends, was öfters Zusatzgelder zur Deckung des Defizits nötig machten. Eine Erweiterung der Gebäulichkeiten war unvermeidlich geworden und so baute man 1813 einen neuen Waisenstadel und eine neue Stube mit Kammer. Die Kosten beliefen sich auf rund 3000 Gulden und verursachten eine Spezialsteuer von 2 Gulden vom Tausend.

Folgende Waisenrechnung mag über den ökonomischen Bestand der Anstalt Aufschluss geben:

 

Jahrgang

Kosten

Arbeiten

Defizit

Vermächtnisse

Vermögen

 

Gulden

Kreuzer

Gulden

Kreuzer

Gulden 

Kreuzer

Gulden

Gulden

Kreuzer

1796

 

 

 

 

 

 

5131

 

 

1797

1927

43

666

59

1260

44

190

17511

48

1798

2167

31

948

30

1219

1

255

17063

39

1799

2150

 

910

 

1240

 

700

17481

19

1800

2567

 

867

41

1808

42

82

17001

 

1801

2071

8

1150

52

1220

16

1233

18358

21

1802

2239

24

1000

 

1239

24

1501

18532

 

1803

2274

58

776

56

1498

2

320

17014

52

1804

2066

11

940

13

1126

6

190

13017

6

1805

2444

40

1163

47

1280

53

1082

13380

50

1806

2806

56

1006

51

1800

5

624

13160

47

1807

2698

27

988

22

1713

5

295

18660

47

1808

1856

41

578

22

782

20

566

20194

1

1809

1861

7

628

27

1232

40

2160

15622

18

1810

2227

10

604

10

1622

59

231

 

 

1811

1859

36

232

18

1627

18

844

16772

18

1812

1862

32

122

40

1739

52

1925

18532

18

1813

2341

12

243

46

2096

47

1000

19172

 

1814

2160

2

620

30

1422

37

619

19372

 

1815

2418

17

974

30

1443

47

11

19372

 

1816

3425

9

716

21

2718

18

972

20539

18

1817

4083

39

437

48

1993

6

272

20560

18

1818

2611

10

574

3

2037

7

457

20667

48

1819

2192

47

624

34

1568

13

621

21067

48

1820

1603

57

666

45

937

12

1613

21706

8

1821

2905

 

607

10

2297

50

1044

21973

17

1822

1782

37

703

46

1078

51

444

23184

12

1823

1399

20

608

17

790

36

364

22643

28

1824

1923

45

574

28

2384

50

806

23795

38

1825

1972

15

624

39

1347

36

548

23829

43

1826

2022

32

652

33

1369

59

560

22286

2

1827

2940

48

494

9

2446

39

377

23734

2

1828

1826

58

580

11

726

48

2114

25758

17

1829

1807

34

500

39

1306

55

32

25758

17

1830

1936

12

525

14

851

2

400

26239

7

 

Einnahmen

 

erarbeitet

 

Ausgaben

 

 

 

 

1831

1753

55

270

43

1622

52

5300

26617

16

1832

1776

13

224

46

1630

3

110

31304

45

1833

2170

25

423

16

2058

33

11

31290

45

1834

2181

25

532

33

2000

46

250

31515

53

1835

2109

2

486

2

2126

38

 

31486

44

1836

2124

8

409

 

1833

27

22

31490

48

1837

2217

1

304

11

2544

32

 

31490

58

1838

2536

8

400

9

2978

3

 

31349

40

1839

2793

41

380

53

3648

39

 

31335

4

1840

3253

51

590

14

3253

58

 

31303

3

1841

2382

37

617

2

2346

10

 

29745

21

1842

5695

49

648

24

2728

23

 

29692

33

1843

3106

43

407

25

5612

49

 

29722

33

1844

3376

51

375

31

3098

8

 

29717

36

1845

3291

2

426

23

3291

2

 

25067

 

1846

4459

23

660

50

4533

7

11

25075

 

1847

3112

5

678

44

3128

40

150

25105

 

1848

3844

36

534

27

3340

17

 

25044

 

1849

3042

7

632

57

2832

47

 

25087

42

1850

2485

41

980

23

2720

25

30

25117

45

 

Für die Verbesserung des finanziellen Zustandes der Institution waren besonders Ratsherr Tobler an der Kohlhalde und Seckelmeister Tobler besorgt. Ratsherr Tobler kaufte 1802 den Nördliwald für 638 Gulden und schenkte ihn mit einem in der Nähe gelegenen Stück Tratt (Wiese), das er um weitere 100 Gulden gekauft hatte, dem Waisenhaus. Im Weiteren kaufte er in zwei Etappen von Johannes Ulrich Haas an der Kohlhalde zwei an das Waisengut stossende Grundstücke im Gesamtbetrag von 2522 Gulden. Schlussendlich übergab er noch einen Zedel von 200 Gulden, so dass sich seine bei Lebzeiten an das Waisengut gemachten Schenkungen auf 3560 Gulden beliefen. In seinem Testament wurde das Waisenhaus um zusätzliche 2000 Gulden beehrt. Seckelmeister Tobler hatte dem Waisenhaus schon früher ein Stück Land geschenkt und war auch für ein Legat von 5000 Gulden verantwortlich, welches von seinem Vogtkind, Frau Schoch aus St. Gallen, zum Wohle der Institution gemacht wurde.

Über ihre Bedeutung, Leitung und Versorgungsart gibt uns die Waisenordnung Auskunft, welche am 17. November 1797 eingeführt und am 13. Februar 1821 kontrolliert und überarbeitet wurde. Nach derselben stand dem Waisenhaus ein Waisenvater vor, der einen wöchentlichen Lohn von Anfangs nur 1 ½, später aber 2 ½ Gulden erhielt. Zu Aufsehern, welche zugleich für die Ökonomie verantwortlich waren, wurden von Anfang an zwei Pfleger gewählt, wobei einer aus der Vorsteherschaft, der andere als Privater angestellt wurden. Die Oberaufsicht hatte später eine Waisenkommission inne. Meistens waren rund 40 – 50 Personen im Waisenhaus wohnhaft, welche sich hauptsächlich aus Waisen, Witwen und anderen hilfsbedürftigen Armen zusammensetzten, die wegen Krankheiten beständiger Wartung und Pflege bedurften. Die Waisen wurden zum Schulbesuch, Gebet und Gesang, zu religiösen Gedächtnisübungen, sowie auch zum Weben, Spulen, Nähen, Stücken, Höhlen, Waschen und anderen häuslichen Beschäftigungen angehalten. Zudem mussten sie das Vieh besorgen und Wiesen und Ackerfelder bearbeiten, auf welchen Kartoffeln, Hafer oder Korn angebaut wurden. Trotz diesen Beschäftigungen blieb noch vieles zu wünschen übrig, denn einem unbefangenen Beobachter konnte nicht entgehen, dass die jungen Waisen wohl eine Versorgungsanstalt, nicht aber eine Erziehungsanstalt vorfanden. Wie in anderen Gemeinden, waren auch in Speicher verdorbene Individuen untergebracht, welche zum Teil von den Kriminalbehörden der Gemeinde zur Aufsicht ins Waisenhaus übergeben worden waren. Weil bei der wachsenden Anzahl von Bewohnern der Anstalt die Einwirkungen auf die Jugend kaum gehörig überwacht werden konnten, stellte sich immer deutlicher heraus, dass nur eine völlige Trennung der Alten und Jungen in zwei voneinander unabhängige Anstalten dem Übel abhelfen konnte.

Die Waisenanstalt in der Schurtanne Trogen gedieh unter der Leitung des wackeren Zellweger prächtig und auch die Waisenanstalt im Schönenbühl in Teufen stand als leuchtendes Beispiel da. Da wollte Speicher natürlich auch nicht länger zurückbleiben. Die Vorsteherschaft von Speicher wurde durch grössere Vermächtnisse zu einer eigenen getrennten Waisenanstalt aufgemuntert:

                                                                                    

Jahr

Name

Gulden

1831

Jungfer Schläpfer im Herbrig

500

1833

Alt Ratsherr Bartholome Tanner

1000

1835

Frau Koller in der Megglen

800

1837

Mathias Tobler aus Heiden

500

1840

Johannes Schläpfer im Gern

600

1840

Frau Landeshauptmann Zuberbühler

900

1840

Alt Ratsherr G.L. Schläpfer im Kaufhaus

800

 

Das Vermögen für die zu gründende Anstalt hatte 1834 erst 4662 Gulden betragen und war bis im Oktober 1840 auf 10475 Gulden angewachsen. Nun entschloss sich die Vorsteherschaft, dem Wunsch von Alt- Ratsherr G. L. Schläpfer zu entsprechen und liess durch Hans Konrad Oertli die Heimat des Johannes Kellenberger auf der Holderschwende für den Betrag von 4800 Gulden und 6 Taler Trinkgeld kaufen, mit dem Vorbehalt, dass die Kirchhöre zustimme, was am 22. November 1840 auch geschah:

 

1.

Die Vorsteherschaft zu bevollmächtigen, die Trennung der Waisen von den Alten vorzunehmen und die damit verbundenen Geschäfte und die Wahl eines Erziehers oder Waisenvaters zu besorgen.

2.

Der Kauf der Heimat des Johannes Kellenberger auf Holderschwende ist genehmigt.

Ehre dem fortschreitenden Geiste.

 

Bald darauf war Baubeginn auf dem gekauften Heimwesen und man sah sich nach einem tüchtigen Erzieher um, der dann am 27. Mai 1842 in der Person von Lehrer Zumbrunn aus Könitz im Kt. Bern gefunden wurde. Am 27. Juli 1842 fand die Einweihung und Eröffnung des neuen Waisenhauses statt, welches 35 Waisenkindern Platz bot. Die älteren Armen, ebenfalls 35 Personen, wurden in die gekaufte Heimat übersiedelt. Jede dieser Institutionen lebt seitdem unter eigener Leitung und besonderen Statuten. Weil diese Statuten ziemlich viel Raum einnehmen würden, beschränken wir uns hier auf einen kurzen Überblick und erwähnen nur das Wesentliche:

Armenanstalt:

 

1.

Die Armenanstalt hat die Bestimmung, arme gebrechliche, kranke, oder in hohem Grade geistesbeschränkte Personen zu versorgen.

2.

Die Leitung der Anstalt ist den Armeneltern übertragen, denen zur Besorgung der Einkäufe und Verkäufe die Pfleger zur Seite stehen. (Nebst Kost und Logis erhielten die Armeneltern für sich und ihre unerwachsenen Kinder 2 Gulden 42 Kreuzer wöchentliche Besoldung)

3.

Die gesunden Armen erscheinen im Sommer um 5 Uhr, im Herbst und Frühling um 6 Uhr und im Winter um 7 Uhr zur Morgenandacht; dann geht’s zum Essen, und hierauf zu den Haus- und Feldgeschäften, die mit den nötigen Erholungen abwechseln. Um 8 Uhr wird die Abendandacht vorgenommen.

4.

Ihre Nahrung besteht in einfacher, aber nahrhafter Kost, als: Brot, Habermus, Milch, Kartoffeln, Mehlspeisen und Gemüse; an Festtagen, bei besonderen Anlässen und in der Heu- und Grummeternte auch Fleisch. Besonders aber sind alte und kränkliche Leute auch hierin, wie in der Verpflegung überhaupt, den Armeneltern aufs wärmste anempfohlen.

5.

Jeder Arme soll mit einem Werktags- und Sonntagskleid, mit 4 Hemden, 2 Paar Schuhen, 2 Paar Strümpfen und 4 Nastüchern versehen sein. Jeder Arme soll ferner ein eigenes einschläfiges und mit 4 Leintüchern versehenes Bett haben.

 

 

Waisenanstalt:

 

1.

Die Anstalt hat den Zweck, elternlose Kinder, oder solche gar dürftiger oder verdorbener Eltern zu körperlich und geistig gesunden, rechtschaffenen Menschen zu erziehen und so der überhand nehmenden Armut zu wehren.

2.

Ein Erzieher, den seine Frau besonders auch als Arbeitslehrerin unterstützt, ist der Vorsteher der Anstalt. Er enthält nebst Kost und Logis für sich und seine Familie (die Kinder bis zur Konfirmation) eine jährliche Besoldung von 300 Gulden (nur Zumbrunn erhielt 400 Gulden).

3.

Die Oberaufsicht kommt der Gemeindeverwaltung zu, welcher auch die zur Besorgung der ökonomischen Angelegenheiten gewählten Pfleger untergeordnet sind.

4.

Die Aufnahme geschieht auch hier durch die Verwaltung. Jedes aufzunehmende Kind muss wenigstens 5 Jahre alt sein.

5.

Die Alltagsschüler beschäftigen sich nebst der Schulzeit, die zwei Stunden des Vormittags und zwei Stunden des Nachmittags in sich fasst, mit den leichteren Haus- und Feldarbeiten, die Übungsschüler, welche täglich noch eine Stunde Unterricht erhalten, mit Weben und je nach der Jahreszeit auch mit Feldarbeiten. Die Mädchen haben sich auch in weiblichen Arbeiten zu üben.

6.

Die Kinder werden zum Gebet angehalten; die Erziehung soll überhaupt eine religiöse sein.

7.

Die Schulkommission überwacht die Erziehung und den Unterricht in der Waisenanstalt. Der Pfarrer erteilt den Religionsunterricht.

8.

Zur Erholung sollen den Kindern belehrende Unterhaltung, gymnastische und andere Spiele dienen.

9.

Die Nahrung ist die gleiche, wie oben; ebenso gilt auch hier, was dort in Beziehung auf Kleider und Bett gesagt ist, nur mit dem Unterschied, dass ein Kind, statt 2, 3 Paar Strümpfe erhält.

10.

Der Austritt geschieht in der Regel nach erhaltenem Konfirmationsunterricht; doch gestatten besondere Umstände eine Ausnahme.

11.

Austretende Waisenknaben, die ein Handwerk zu lernen wünschen, erhalten hierzu die nötige Unterstützung.

12.

Geistesbeschränkte siedeln von der Waisenanstalt in die Armenanstalt über.

 

 

Da wir über die Geschichte des Armenhauses nichts weiteres berichten können, möchten wir noch die Armenväter erwähnen. Der Armenanstalt standen folgende Männer vor:

 

a.

vor der Trennung:

 

Konrad Schittle, Blatten – Konrad

 

Johannes Eugster, 1807 gewählt

 

Mathias Sturzenegger, 1812 gewählt

 

Hans Ulrich Schläpfer, 1820 gewählt

 

Hans Ulrich Kellenberger, 1832 gewählt

 

 

b.

seit der Trennung:

 

Hans Jakob Krüsi, 1838 gewählt

 

Johannes Schefer, 1845 gewählt

 

Jakob Krüsi, 1846 gewählt

 

Hans Konrad Iller, 1849 gewählt

 

 

In Beziehung auf die Waisenanstalt kann doch etwas mehr berichtet werden. Die Anstalt war nun organisiert und nährte die erwarteten Hoffnungen. Lehrer Zellweger schreibt in seiner „Darstellung der schweizerischen Armenschulen“:

„Und in der vernahm man nur eine Stimme über die erfreuliche Entwicklung der Kinder in den neuen Verhältnissen; allein mancherlei Störungen von Innen und Aussen wirkten hemmend auf den Gang der Anstalt in ihrer freien Entwicklung, und versetzten ihr den ersten Stoss durch den Austritt ihres Vorstehers“.

 

Der Hauptgrund für Zumbrunn’s Resignation war seine, eines treuen Mannes unwürdige und die freiere Entwicklung eines Unternehmens hemmende unselbständige Stellung. Diese nachteilige Einwirkung von aussen wurde durch die alle zwei Jahre wiederkehrende neue Wahl der Pfleger noch spürbarer. Ehe sich Stimmen erheben konnten, welche den Vorsteher durch einen gewöhnlichen Privatmann ersetzen und die Waisenkinder in die Dorfschule schicken wollten, schritt die Vorsteherschaft ein. Um diesen Rückschritt abzuwenden, wählte man Johannes Rechsteiner aus Gais, damals Erzieher an der Knabenanstalt auf dem Berggut Bättwil bei Burgdorf,  zum neuen Vorsteher. Im Januar 1845 trat Zumbrunn zurück und bereits am 20. Juni 1845 wurden die neuen Waiseneltern in ihren neuen Wirkungskreis eingeführt. Da auch Rechsteiner mit grossen Schwierigkeiten zu kämpfen hatte, schmiss er den Bettel hin und folgte am 2. Oktober 1848 dem Ruf seiner Vatergemeinde Gais an die gleiche Stelle. Nun wählte man am 26. September 1848 den am 10. November 1829 geborenen Jakob Krüsi aus Speicher, welcher damals noch Seminarist in Kreuzlingen war, zum Waisenvater. Da man ihm aber noch eine weitere Ausbildungsfrist von einem Jahr gestattete, wurde die Leitung der Anstalt provisorisch dem damaligen Weblehrer, Verwaltungsrat Hörler übertragen, welchem Lehrer Sturzenegger als Lehrer und Jungfer B. Sturzenegger als Haushälterin zugeteilt wurden. Mitte August trat Krüsi guten Mutes das neue Amt an. Wo aber seine beiden älteren Vorgänger scheiterten, da hatten auch seine jugendlichen Schultern eine allzu schwere Last zu ertragen. Bereits zum Ende des Jahres 1849 resignierte er und trat zurück.

Bis zum Eintritt eines neuen Waisenvaters mussten die oben erwähnten drei Personen die Anstalt wieder führen. Am 28. Februar 1850 traf der bisherige Schullehrer vom Saum in Herisau, Johannes Lutz von Wolfhalden, in Speicher ein, um mit seiner anspruchslosen Frau die Elternstelle bei den Waisenkindern anzutreten. Im Volk trat seither in Bezug auf das Urteil über das Waisenhaus vollständige Ruhe ein und nährt die Hoffnung, dass die Anstalt nun endlich die zu ihrem Gedeihen notwendigen Wurzeln bilden konnte. Wir wollen noch mit der Waisenhausrechnung die ökonomische Seite der Waisenanstalt beleuchten:

 

Jahrgang

Einnahmen

daran erarbeitet

Ausgaben

für Lebensmittel

Vermächtnisse

Vermögen

 

Gulden

Kreuzer

Gulden

Kreuzer

Gulden

Kreuzer

Gulden

Kreuzer

Gulden

Kreuzer

Gulden

Kreuzer

1842

 

 

 

 

 

 

 

 

1027

 

12117

26

1843

2278

34

205

42

2916

38

994

24

1837

48

13343

34

1844

2480

1

200

3

3328

53

744

26

1168

48

15681

2

1845

3817

54

243

51

3817

54

768

54

989

6

22528

17

1846

4401

25

642

19

4937

49

1621

13

408

 

23050

59

1847

3799

34

685

52

3065

55

985

40

193

12

23266

55

1848

3520

11

1100

3

3407

24

1203

21

1272

24

25687

47

1849

3009

49

1374

54

2889

15

782

7

1597

55

27279

5

1850

3720

41

2065

52

3436

36

964

12

540

30

29206

35

 

Der bedeutende Zufluss im Jahr 1844 rührt daher, dass laut Rätebeschluss vom 1. November 1844, 4600 Gulden vom Armenhausgut an das Waisengut abgetreten wurden. 1842 hatte es 35 Waisen, 1852 deren 36.